Abschnitt 9. Der Richter soll sich nicht bestechen lassen, doch kann er sich seine Zeitversäumnis bezahlen lassen

§ 1. Der Richter muss sich gar sehr hüten, Bestechungen anzunehmen, selbst nicht von dem, der eine gerechte Forderung hat. Hat er es getan, so muss er das Geld demjenigen auf sein Verlangen wieder zurückgeben und die Sünder haftet ebenso gut auf dem Geber nach 3. B. M. 19, 14: Du sollst keinem Tauben fluchen und einem Blinden sollst du nichts in den Weg legen – du sollst niemandem Anlass zu sündigen geben – als auf dem Nehmer; selbst durch Worte darf sich der Richter nicht bestechen lassen. Kein Richter darf denjenigen richten, von welchem er Geld geliehen hat; ist aber der Richter selbst im Stande, jemandem Geld zu leihen (war er nur in diesem Augenblick nicht bei Gelde), so kann er ihn wohl richten, denn der Beteiligte kann ja wieder von dem Richter Geld leihen.

§ 2. Wenn der Kläger zuvorgekommen ist und dem Richter ein Geschenk zugeschickt hat, bevor er den Beklagten zitieren ließ, so kann dieser den Richter nicht verwerfen, der Richter müsste sich denn (aus Frömmigkeit) selbst in dieser Sache zu richten weigern, weil er merkt, dass er für den Schenker etwas mehr eingenommen ist.

§ 3. Es ist der Gebraucht, dass man zum Unerhalt der Richter eine allgemeine Sammlung hält, worin jeder nach Vermögen beitragen muss. Diese Beiträge werden entweder im Anfange oder am Ende des Jahres gesammelt; dies kann nicht als Bestechung oder Lohn betrachtet werden; denn es ist Pflicht für Israel, seine Richter und Weisen zu ernähren; ebenso kann man zur Unterhaltung des Gerichtes von den Geldgelübden und Vermächtnissen an das Heiligtum nehmen; noch besser ist es, wenn man die Beiträge am Anfange des Jahres einsammelt, damit die Richter auf da ganze Jahr u leben und nicht nötig haben, irgend jemanden zu schmeicheln und ihn zu bevorzugen.

§ 4. Jeder Richter, der viele Schreiber und Diener hält und dadurch der Gemeinde viele Kosten verursacht, ist unter diejenigen zu rechnen, die dem Raube nachjagen.

§ 5. Wenn ein Richter Lohn für das Richten nimmt, so sind alle seine Urteile ungültig, aber für seine Versäumnis kann er sich bezahlen lassen, wenn er nämlich ein bestimmtes Handwerk treibt; er darf jedoch von einem nicht mehr als vom anderen nehmen; treibt er aber sein gewisses Handwerk, so kann er nicht sagen, ich hätte vielleicht in dieser Zeit durch Handel oder Makelei etwas verdienen können (siehe Abschnitt 34, § 18).

§ 6. Kein Richter darf einen unwissenden Schüler vor sich sitzen lassen, wenn er zu Gericht sitzt; denn er könnte eine Sache mit ihm verhandeln und dadurch von der Wahrheit abgebracht werden.

§ 7. Wenn ein Schüler vor seinem Lehrer sitzt und merkt, dass derselbe einen Armen, auf dessen Seite das Recht ist, verurteilen will, und er schweigt dazu, selbst wenn der Schüler weiß, dass sein Lehrer nur nicht den Reichen verletzen will, muss er nach Beendigung des Gerichtes dem Richter sagen, er habe Unrecht und sollte den Armen bezahlen; der Schüler soll nicht schweigen, denn sonst begeht er eine Sünde, nach 2. B. M. 23, 7: Sei ferne von falschen Sachen.

§ 8. Wen ein Schüler sieht, dass sein Lehrer sich im Richten irrt, so soll er nicht warten, bis das Urteil völlig gefällt ist und dann erst solches mit Gründen umstoßen und seinen Lehrer anders zu urteilen bewegen, damit davon ihm die Ehre werde, sondern er soll seinem Lehrer gleich auf ehrerbietige Weise sagen: Mein Lehrer, so und so hast du mir einst gelehrt.