3. Die Befugnisse des beth-din in der Quaderkammer.

Im Sifre zu Deut. 17, 8ff. und in den Parallelberichten im Talmud wird die Behörde, vor die nach der Vorschrift der Thora schwierige Fragen gebracht werden, das beth-din in der
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63) Herr Lektor Friedmann machte mich auf die bereits von Reifmann, ‏הסנהדרין‎ 39 verzeichnete Stelle in der Agadath Bereschith Cap. XIV Ende aufimerksam, wo ausgeführt wird, daß der Prophet ‘Obadja und Jeremia erst, nachdem ihnen das 71gliedrige Synedrion die Erlaubnis erteilt hatte, wirkten; diese hätte auch zurückgenommen werden können. Ist auch dieser Midrasch jung und findet sich zu dieser Stelle keine Parallele, so kann doch eine ältere Quelle zugrunde liegen. Zu unserer Darlegung stimmt es sehr gut, daß der Prophet, der im Namen Gottes spricht, vor dem beth-din in der Quaderkammer seine Beglaubigung erhält.


Quaderkammer genannt, von welchem die Belehrung für ganz Israel ergeht. Da an derselben Stelle durch Auslegung der einzelnen Bibelworte auch die Gegenstände namentlich abgeleitet werden, welche dieser Körperschaft zur Entscheidung vorgelegt werden sollen, so ist hier ein sehr geeigneter Ausgangspunkt zur Feststellung einer weiteren Seite der Befugnisse dieses beth-din gegeben. Zur Erklärung der Vorschrift in Deut, 17, 8. 9: כי יפלא ממך דבר למשפט בין דם לדם בין דיז לדין ובין נגע לנגע דברי ריבות בשעריך וקמת ועלית אל המקום אשר יבחר יי אלהיך בו. ובאת אל הכהנים הלוים ואל השופט אשר יהיה בימים ההם ודרשת והגידו לך את דבר המשפט, heißt es nämlich in einer Baraitha in b. Synhedr. 86b—87a (Sifre Deut. 182): כי יפלא ממך דבר, במופלא שבבית דין הכתוב מדבר.64 ממך, זה יועץ. דבר, זה הלכה. למשפט, זה הדין, בין דם לדם, בין דם נדה דם לידה דם זיבה. בין דין לדין, בין דיני נפשות דיני ממונות דיני מכות. בין נגע לנגע, בין נגעי אדם נגעי בתים נגעי בגדים, דברי, אלו החרמים והערכין וההקדשות. ריבות, זו השקאת סוטה ועריפת ענלה וטהרת מצורע. בשעריך, זו לקט שכחה ופאה.‎ In jer. Synhedr,. XI 30a 38 lautet dieselbe Baraitha etwas verschieden: בין דם נדה לדם בתולים בין דם נדה לדם זיבה לרדם צרעת. בין דין לדין. בין דיני ממונות לדיני נפשות. בין דין לדין, בין הנסקלין לנשרפין לנהרנין ולנחנקין. בין ננע לננע, בין מצורע מוסגר ומצורץ מוחלט. בין נגע לנגע, בין נגעי אדם...‎ Diese Version hat das בין des Bibelverses als die Bezeichnung des Schwankens beim Richter, Lehrer oder Priester zwischen mehreren vorhandenen Möglichkeiten aufgefaßt und dementsprechend jeden Punkt in dieser biblischen Aufzählung in zwei oder mehr Möglichkeiten zerlegt. Demnach wäre auch der die Todesstrafe behandelnde Punkt dahin zu erklären, daß ein Gericht in der Landstadt sich darüber nicht einigen kann, ob der zum Tode Verurteilte die eine oder die andere der vier Todesarten zu erleiden habe, weshalb es sich an das bethdin in der Quaderkammer um Aufschluß wendet.65 Folgerichtig
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64) Jeder größere Gerichtshof scheint einen מופלא und einen יועץ in seiner Mitte gehabt zu haben; denn die Erklärung Raschis, daß das Wort מופלא hier eine andere Bedeutung als sonst habe und jeden ordinierten Lehrer bezeichne, ist durch nichts begründet. Auch die Erklärung von יועץ als eines Lehrers, der an der Ordnung des Kalenders teilnimmt, leuchtet nicht ein. In b. Berakh. 3b, Synhedr. 16a unten, im Satze Simons, des Frommen über den Hof Davids haben wir neben den Weisen Israels Achithofel als Ratgeber des Königs, vgl. I Chron. 26, 14.
65) Vgl. Sifre Numeri 114, Sifra p. 104c, b. Synhedr. 78b, wo Moses zweifelt, welchen Todes der Holzsammler in Numeri 15, 34 sterben solle, und Gott selbst die Entscheidung gibt, ebenso wie in Numeri 9, 6 beim Passah und 27, 5 bei den Töchtern Selafchads.


würde das vorhergehende Glied der Aufzählung von dem Schwanken eines Gerichtes hinsichtlich dessen handeln, ob die ihm vorliegende Angelegenheit eine bürger- oder strafrechtliche ist, was bei den in Exod. 21, 22. 23. 29. 30 besprochenen Fällen leicht zweifelhaft sein kann; die Behörde in Jerusalem entscheidet hierüber, fällt aber keinesfalls ein Urteil in der Sache selbst. Allerdings ist diese Teilung jedes einzelnen Begriffes in die Zahl der möglichen Fälle in der Auslegung von ‏בין נגע לנגע‎ zu בין נגעי אדם nicht mehr fortgesetzt; sondern es sind bloß die Fälle zusammengestellt, die in das Bibelwort hineingelegt werden können, weil es da nur eine Wahl zwischen ja und nein gibt, wie es in der Deutung der weiteren Worte des Bibelverses geschieht, die das teilende בין nicht mehr haben. So ist hier auch die Entscheidung, ob die des Ehebruches verdächtigte Frau das Prüfungswasser zu trinken habe und welche der Städte, in deren Nähe ein Ermordeter aufgefunden wurde, das vorgeschriebene Sühnopfer darbringen solle, der Behörde in der Quaderkammer zugewiesen; und wir haben bereits aus anderen Berichten ersehen, daß die Frau in jedem Falle vor dieses beth-din geführt wird, wie dieses ausnahmslos drei seiner Mitglieder zu dem Leichname des ermordet Aufgefundenen entsendet (vgl. Sifre Deut. 351). Es sind somit nicht bloß Fälle, bei deren Beurteilung die kleineren Behörden schwanken, die hier als dem großen beth-din vorgelegt aufgezählt werden, sondern auch andere Dinge, die zu ihren Befugnissen gehören.
Aber keine Angabe in dieser erschöpfenden Aufzählung besagt, daß diese Behörde in der Quaderkammer ein Todesurteil gefällt habe.
Besondere Beachtung verdient die Wahrnehmung, daß mehrere der hier angeführten Punkte nach der ausdrücklichen Vorschrift in der Thora ausschließlich zu den Befugnissen der Priester gehören. So die verschiedenen Arten des Aussatzes in Lev. 13 und Deut. 24, 8, der Blutfluß und die Reinigung in Lev. 12—15, das Banngut, die Schätzungs- und Wertwidmungen an den Tempel in Lev. 27 (vgl. Sifre Deut. 351, wo anknüpfend an Deut. 21, 5b gesagt wird, daß alle Entscheidungen in Angelegenheit der roten Kuh, der des Ehebruches verdächtigten Frau und des Sühnopfers bei einem Morde, wie in allen Fragen über Aussatz von den Priestern ausgehen). Der letzte Punkt ist um so auffallender, als eine Baraitha (b. Kerith. 13b, Sifra 46d) den Auftrag an die Priester in Lev. 10, 10, in allen das Heilige und die levitische Reinheit betreffenden Fragen zu entscheiden, folgendermaßen ausgelegt: והקדשות. בין הטמא ובין הטהור, אילו טומאות וטהרות. ולהורות, זו הוראה. את כל החוקים, אילו מדרשות. אשר דבר יי, זו הלכה. ביד משה, זו גמרא, 66 und als Befugnisse der Priester dieselben Gegenstände namentlich anführt und eine andere Behörde hierfür nicht kennt. Als die oberste Behörde, die, im Falle der Priester eine Entscheidung zu treffen nicht vermag, anzurufen wäre, müßte gleichfalls eine priesterliche gedacht werden, wie sie Deut, 17, 12, der auf das beth-din in der Quaderkammer bezogene Abschnitt selbst in der Tat nennt. Es ist in der uns beschäftigenden Aufzählung, wie im Falle der des Ehebruches verdächtigten Frau, an Stelle des an dem Öpferheiligtume wirkenden und Entscheidungen abgebenden Priesters eine ganze Behörde getreten mit den Rechten und Befugnissen desselben. Und es ist die natürlichste Annahme, daß dieses beth-din nicht bloß durch die Äußerlichkeit des Amtssitzes mit dem Tempel zusammenhing, sondern auch seinem Wesen und seiner Zusammensetzung nach priesterlich war, mindestens in seiner ersten Entwickelung. Erst später, als Hillel die Priester in ihren, nach seiner Ansicht mehr Wissen, als priesterliche Heiligkeit erfordernden Entscheidungen beschränkte und ihnen Lehrer aus dem Laienstande beigab, wird auch in das beth-din der Quaderkammer allmählich das Laienelement Eingang gefunden haben.67 Es ist wohl einzu
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66) Sifra lautet etwas verschieden: להבדיל בין הקודש ובין החול, אילו הערכים....אשר דבר יי אליהם, אילו ההלכות. ביד משה, זה הגטרא, vgl. Geiger, Jüd. ZS. II 109 ff.
67) Hoffmann (Der oberste Gerichtshof 6) untersucht mit besonderer Gründlichkeit II Chron. 19, 5-11, wo die Einsetzung von Gerichtshöfen in den Landstädten Judas und eines obersten Gerichtshofes in Jerusalem durch den König Joschafat berichtet wird. Es handelt sich ihm hauptsächlich um den Nachweis, daß nach der Auffassung des Chronisten dem Gerichtshofe in der Hauptstadt, an dessen Spitze der Hohepriester und der Fürst aus dem Hause Juda standen, sowohl Rechts-, als auch religionsgesetzliche Fragen zur Entscheidung vorgelegt wurden. Doch hat er es nicht versucht, die eigentlichen Schwierigkeiten, die übrigens auch die Bibelausleger nur oberflächlich streifen und die das Verständnis der ganzen Stelle unmöglich machen, zu beleuchten. Ein Blick auf die durch den Wortlaut verursachten Schwierigkeiten lehrt, daß wir es mit einem Grundberichte und den Zusätzen eines Bearbeiters zu tun haben. Zunächst fällt das ganz ohne Zusammenhang dastehende כה תעשון in Vers 9 auf, dessen Objekt wohl ganz gut der folgende Vers nach Tilgung des ו in וכל sein könnte, wenn nicht ‏באמונה ובלבב שלם


prägen, was wir übrigens schon anderweitig erkannt haben (Seite 25), daß diese so Vieles umfassende Tätigkeit des beth-din als תורה bezeichnet wird nach Deut. 17, 11: על פי התורה אשר יורוך, ebenso in der Mischna Synhedr. XI, 2 und der Baraitha
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stünde, welche Worte voraussetzen, daß der Inhalt des ‏ כה‎bereits angegeben war. Da dieses jedoch von den jerusalemischen Richtern noch nicht erfolgt ist und nur Vers 6—7 das Entsprechende besagen, so ist Vers 8 entweder an unrichtige Stelle gerathen oder ein späterer Zusatz. Durch dessen Ausscheidung schließt nicht bloß Vers 9 an Vers 7 sich gut an, sondern auch מאחיכם היושבים בעריהם, das nur als Hinweis auf Vers 5 verständlich ist, indem aus den nicht befestigten Orten, den Dörfern, Processe vor die Gerichtshöfe in den festen Städten gebracht werden, wird klar. Es fragt sich nur, ob in Vers 8 nicht doch etwas ursprünglich ist. Der Anfang וגם בירושלים erweckt den Eindruck, daß in Jerusalem, wie in den übrigen festen Städten, ein Gerichtshof für dessen Bezirk eingerichtet worden sei; und in der Tat besagt dieses der ganze Vers ausdrücklich, indem er als die Aufgabe des Gerichtes למשפט יי ולריב וישובו ירושלים‎ bezeichnet, wo es nach dem entsprechenden Wortlaute in Vers 5 וושובי für ליושבי geheißen haben dürfte. Aber plötzlich lesen wir in Vers 10: וכל ריב אשר יבוא אליכם מאחיכם היושבים בעריהם, was zu Jerusalems eben ermittelter Stellung überhaupt nicht, dagegen sehr gut zu den Gerichten der einzelnen Landstädte paßt. Es ist auch hieraus klar, daß Vers 8 nicht in den Zusammenhang gehört. Da aber möglicherweise auch von Jerusalem etwas schon in der Quelle des Erzählers stand, fragt es sich, in welchem Teile des Berichtes dieses der Fall war. Jedenfalls erst, nachdem die Meldung über die Gerichte der Landstädte zu Ende war, also nach Vers 10; aber wieviel da ursprünglich ist, ist unsicher. Vers 9 ist als Mahnung an die Richter zu kurz und unvollständig, also entweder lückenhaft erhalten, oder durch die Bearbeitung zerrissen. Es ist auch noch auf die Verschiedenheit zwischen ויאמר אל השופטים in Vers 6 und ויצו עליהם in Vers 9 aufmerksam zu machen: das erstere ist persönliche Anrede, das letztere eine Botschaft durch Mittelspersonen, vgl. I Chron. 16, 40; 22, 12. Hiernach wäre der König nach Jerusalem zurückgekehrt und wäre den Richtern auf dem Lande eine nochmalige Ermahnung von ihm zugegangen; für alle Gerichtshöfe wäre dann die Aufsicht der beiden Männer in Jerusalem bestimmt. Doch auch die uns vorliegende Gestalt des Berichtes gibt nicht an, welche Rolle diese beiden Würdenträger hatten, da das eingesetzte Gericht auch ohne sie zu urteilen befugt war. Aber es ist festzuhalten, daß nach der Quelle das Verdienst des Königs Joschafat die Einsetzung von Gerichten in den Landstädten war; Jerusalem wird er in dieser Hinsicht schon früher organisiert haben, was Vers 4 wohl besagen wollte.
Der Chronist jedoch vermißte die Angabe über die Einsetzung von Gerichten in Jerusalem und fügte diese statt in Vers 4 nach 7 ein, wo sich seine Hand durch die Einstellung der Leviten verrät. Auch die Einfügung von Namen in Vers 11, die seine Lieblingsarbeit bildete, weist auf ihn hin; ebenso sind die bezeichnenden Ausdrücke: ושופרים הלוים, הנגיד יהודה, לכל דבר יי, כהן הראש‎ Einzelzüge seiner im Buche wiederkehrenden Aufzählungen, wie besonders die genaue Prüfung jener Teile der Chronik lehrt, die aus I Reg. herüber-


jer. Synhedr. I 19c30, auch הוראת בית דין הגדול in Sifre Deut. 154 und Mischna Horaj. I 3 und הלכה in Tos. Chagiga II 9. Hiermit wird die Feststellung des Inhaltes des Gesetzes in der Thora oder die Auslegung einer nur als Überlieferung geltenden Vorschrift bezeichnet. Ist dieses aus verschiedenen Berichten gewonnene Ergebnis richtig, so erkennen wir schon jetzt, welch große Bedeutung die Behörde in der Quaderkammer für das religiöse Leben der Juden hatte.
Hier sei noch kurz auf den Ausspruch des Tannaiten R. Joschia in Mekhilta 3a oben hingewiesen: »Aus welcher Bibelstelle folgt, daß die Monatseinschaltung nur im großen beth-din in Jerusalem vorgenommen werden dürfe?« Die Tatsache selbst wird als allgemein bekannt und unbestritten vorausgesetzt und nur der Beleg für sie aus der Thora wird gesucht. Ist nun hier tatsächlich, wie alle Forscher ohne Ausnahme annehmen und wie in Wahrheit schon wegen der Tragweite der Verfügung einleuchtet, das Synedrion gemeint? Oder bezeichnet das große beth-din in Jerusalem, wie im Falle der des Ehebruches verdächtigten Frau (Sota I 4, oben Seite 29), das in der Quaderkammer, um so mehr als die Kalenderordnung mit ihren Folgen für das religiöse Leben in erster Reihe den Tempel anging?
Denn die Gründe, die nach der Baraitha b. Synhedr. 11ab und nach Tos. Synhedr. II 12 für die Einschaltung eines ganzen Monates maßgebend waren, sind ausschließlich Rücksichten auf das bevorstehende Passahfest und die daran sich anschließenden Opfer: »Die Einschaltung wird nur dann verfügt, wenn sie notwendig ist wegen der Straßen, des Regens, der Bratöfen für das Passah, wegen der im Auslande wohnenden Juden, die sich schon auf dem Wege nach Jerusalem befinden, aber nicht rechtzeitig eintreffen können; dagegen wird die Einschaltung nicht verfügt wegen Schnee und Kälte und auch wegen der ausländischen Juden nicht, welehe die Wallfahrtsreise noch nicht angetreten haben.«68 Diese Wahrnehmung allein weist
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genommen und durch Zusätze bereichert sind. Jedenfalls ist es hiernach sehr fraglich, ob man berechtigt ist, die durch Einschaltungen erweiterte Form des Berichtes als das Bild der zur Zeit des Chronisten tatsächlich bestandenen Verhältnisse anzusehen, oder hier bloß ein Vorschlag zur Reform vorliegt. Vgl. auch I Chron. 26, 32: ויפקידם .. לכל דבר האלהים ודבר המלך.
68) Die Baraitha in b. Synhedr. 11b, Tos. II 4, jer. I 18d 7: אין מעברין את השנה לא מפני הגדיים ולא מפני הטלאים ולא מפני הגוזלות שלא פרחו. אבל עושין אותן סעד לשנה, dürfte
השנה לא מפני הגדיים ולא מפני הטלאים ולא מפני הגוזלות שלא פרחו. אבל עושין אותן סעד לשנה,


schon die Monatseinschaltung unter die Befugnisse der Tempelbehörden und kennzeichnet sie als dem Synedrion völlig fremdartig; abgesehen davon, daß die Forscher in dem Berichte in b. Synhedr. 11b, wo Gamaliel I mit seinen Kollegen und Simon b. Gamaliel I die Einschaltung verfügen, schon wegen der Stellung dieser Männer innerhalb des Synedrions mit Recht nicht zugeben wollen, daß diese Behörde gemeint sei (siehe Seite 118 ff.). Gilt dieses von der Monatseinschaltung, so mit noch höherer Wahrscheinlichkeit von der Feststellung des Monatsanfanges, nach welchem die Feste gefeiert und die Opfer dargebracht wurden. In der Mischna Rosch haSchana I 7, II 7 ist im Zusammenhange damit nur von einem nicht näher bezeichneten beth-din die Rede. Aber der Umstand, daß in der Mischna Synhedr. I 2 die Neumondsbestimmung zusammen mit der Monatseinschaltung zu jenen Amtshandlungen gerechnet wird, für die ein dreigliedriges Kollegium erforderlich ist, legt die Annahme nahe, daß, wie bei der Monatseinschaltung — und anderen in demselben Zusammenhange aufgezählten Amtshandlungen, — auch bei der Neumondsbestimmung das beth-din in der Quaderkammer gemeint ist. Die geringe Zahl der Mitglieder spricht nicht dagegen; denn auch beim Sühnopfer für einen Mord und beim Handauflegen auf das Sündopfer für die Gemeinde, an denen, wie die Quellen ausdrücklich melden, das beth-din in der Quaderkammer sich beteiligt, bezeichnet dieselbe Mischna und eine andere die Anwesenheit bloß dreier Mitglieder als erforderlich. Zeigt doch den engen Zusammenhang zwischen der Neumondsbestimmung und dem Tempelkult auch die Meldung in der Mischna Rosch haSchana IV 4: ursprünglich nahm man Zeugenaussagen über das Erscheinen des neuen Mondes den ganzen Tag an; als aber einmal die Zeugen spät kamen und dadurch im Psalmengesange der Leviten eine Störung verursacht wurde, beschloß man, Zeugen nur bis zur Minchazeit anzunehmen. Da wird bloß aus Rücksicht auf den Tempelgesang eine einschneidende, den Monatsanfang in gewissen Fällen um einen Tag verschiebende Änderung im Verhalten bei der Neumondsbestimmung vorgenommen, was allein schon nahelegt, daß für den regelmäßigen Gang des Opferdienstes dieselbe
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mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Zeit nach der Zerstörung des Tempels stammen.


Behörde Sorge trug, die den Kalender ordnete; nämlich nicht das Synedrion, sondern, wie bei der Monatseinschaltung, das beth-din in der Quaderkammer,69 das hier bloß als בית דין bezeichnet ist.70
Diese Bezeichnung findet sich auch sonst, wie nicht bloß die bereits angeführte Mischna Synhedr. I, sondern auch die Beschreibung der Mischna Para III von dem Hergang bei der Verbrennung einer roten Kuh zeigt. Da lesen wir, wie der Hohepriester sieben Tage vor dieser heiligen Handlung auf dem Tempelberge abgesondert und für dieselbe vorbereitet wird, wie die zu dieser erforderlichen Personen herangezogen und geweiht werden und schließlich die Verbrennung der Kuh vor sich geht. Die nähere Bezeichnung der Männer jedoch, die all Dieses von Anfang bis zu Ende leiten und in der Beschreibung bloß durch den Plural der Verba angedeutet werden, fehlt. Der Erzähler hat entweder die ersten Sätze seiner Vorlage, in denen das Subjekt bestimmt angegeben war, weggelassen, oder dieses als bekannt vorausgesetzt. Erst in III 7 heißt es: die Ältesten Israels gingen früher, als der Hohepriester zu Fuß auf den Ölberg und nahmen dann wegen der sadducäischen Ansicht die Herabminderung der levitischen Reinheit des Hohenpriesters vor, legten ihre Hände auf diesen und sprachen: mein Herr Hoherpriester, nimm ein Tauchbad. Somit sind es die Ältesten Israels, die den Hohenpriester von
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69) Es ist vielleicht von Wert, zu vermerken, daß die Bezeichnung der hohen Behörde als das große beth-din in Jerusalem in dem Satze des R. Joschia, R. Ismaels Schüler, und in der Mekhilta sich findet. Aber der Wechsel der Bezeichnungen ist doch nicht bloß in der Verschiedenheit der Schulen und der aus diesen hervorgegangenen halachischen Werke zu suchen; denn wir finden in Sifre Deut, 154: ‏על הוראת בית דין הגדול שבירושלים חייב מיתה,‎ im Parallelberichte der Mischna Horaj. I 5: בית דין הגדול im Sifre, in der Baraitha und Toßita לשכת הגזית Die Mischna Sota I 4 hat bei der des Ehebruches verdächtigten Frau ebenfalls ‏‎בית דין הגדול שבירושלים.
70) Auch der Umstand, daß sich das beth-din zur Entgegennahme der Zeugenaussagen nicht im Tempel, sondern in der Stadt versammelt (Rosch haSchana II 5), spricht nicht nur nicht gegen das beth-din in der Quaderkammer und für das Synedrion, sondern, wie verschiedene Wahrnehmungen zeigen, auch für das erstere. Denn nur innerhalb des Tempelvorhofes war das beth-din in seiner vollen Zahl genannt; nach außen entsandte es bloß eine Abordnung aus drei oder mehreren Mitgliedern, wie wir dieses beim Sühnopfer für einen Mord, bei der Verbrennung der roten Kuh und beim Handauflegen auf das Sühnopfer der Gemeinde fanden.

 

Anfang an überwachten und ihn bis zum letzten Augenblicke vor der Verbrennung der roten Kuh nicht aus den Augen ließen. Wir wissen aber bereits aus Tos. Synhedr. III 4, daß die Behörde, unter deren Leitung dieses vor sich ging, das beth-din in der Quaderkammer war. Die Mischna jedoch führt uns die Mitglieder desselben nach biblischer Art mit der unbestimmten Bezeichnung זקני ישראל vor, wo ‏ישראל‎ wie mir scheint, dem in ‏סנהדרי גדולה של ישראל die Stellung der Behörde und ihrer hier auftretenden Mitglieder kennzeichnet und auch in der Charakterisierung dieser als‎ בית דין הגדול שבלשכת הגזית שממנו יוצאת תורה לכל ישראל in Synhedr. XI 2 (Seite 24) eine Parallele hat.71 Fast wörtlich gleichlautend ist die Beschreibung der Mischna Joma I von der Absonderung und Vorbereitung des Hohenpriesters für den Opferdienst des Versöhnungstages. Auch hier werden diese das Opfer einleitenden Handlungen in ausführlichen Bestimmungen beschrieben, ohne daß ihre Leiter bezeichnet wären; erst in I 3 heißt es: man stellt ihm זקנים מזקני בית דין zur Seite. Da ist wohl das Subjekt auch nicht angegeben und man wird durch den Ausdruck auch noch zur Annahme veranlaßt, es sei nicht das beth-din, da ja seine Mitglieder als das Objekt des Verbs erscheinen; in Wahrheit aber wird nach I 5, wo sich diese als die Abgesandten des beth-din bezeichnen, klar, daß das Subjekt von מסרו לו זקנים מזקני בית דין das beth-din ist. Die volle Gleichheit der Beschreibung, wie die des ganzen Vorganges läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die in der Mischna Para III genannten זקני ישראל mit den זקנים מזקני בית דין identisch sind und wie jene, Mitglieder der Behörde in der Quaderkammer waren. Und so gelangen wir zu dem Ergebnisse, daß die Überwachung des Hohenpriesters und des Opferdienstes am Versöhnungstage, wie die bei der Verbrennung der roten Kuh zu den Befugnissen des großen beth-din im inneren Vorhofe des Tempels gehörte; und ferner, daß diese den Opferdienst schildernden Mischnastellen diese Behörde bloß als ‏בית דין‎ bezeichnen.
Ist es auf Grund dieser Untersuchung erwiesen, daß die Bezeichnung בית דין in der Mischna Rosch haSchana I 7, II 7 keinen Be-
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71) Wir finden allerdings auch das Todesurteile fällende Synedrion als בית דין של ישראל bezeichnet in Tos. Synhedr. IX 5, jer. VI 23b 64, (b. 44b hat dafür בית דין וכל ישראל); aber das bestätigt nur das von der hohen Stellung unserer Behörde Gesagte.


weis gegen die Richtigkeit des Ergebnisses, daß die Ordnung des Kalenders vom beth-din in der Quaderkammer ausging, abgeben kann, so wird auch das in Rosch haSchana II 1, 2 weiter Berichtete derselben Behörde zuzuweisen sein. Da lesen wir: ursprünglich nahmen sie das Zeugnis eines Jeden über das Erscheinen des Neumondes an; als aber die Minim72 entarteten, beschlossen sie, dasselbe nur von Bekannten anzunehmen. Und weiter: ursprünglich zündeten sie (zur Bekanntmachung des Neumondstages) Bergfeuer an; seit aber die Minim entarteten,
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72) In dieser und der folgenden Mischna und auch in der Baraitha in b. Rosch haSchana 22b lautet das Wort in allen Handschriften .מינים Wer sind nun diese, die eine Störung des Kalenders absichtlich bewirken wollten?
Friedländer (Antichrist 23 ff.) sieht hierin die Vertreter einer antinomistischen Partei im Judentum, die alle Feste mißachtete und jedes erlaubte und unerlaubte Mittel anwendete, um die gesetzestreuen Juden durch Irreführung an der Beobachtung der vorgeschriebenen Feste zur rechten Zeit zu hindern. Die Baraitha setzt sie in der Tat als Bewohner Judäas voraus, die der jüdischen Gerichtsbarkeit unterstanden, da sie durch Stockschläge gezüchtigt werden sollen. Man denkt zumeist an Sadducäer, wie die Ausgaben und Tos. I 15 mehreremal in den Handschriften und Ausgaben Boethuser darbieten und Raschi und Toßafoth in ihren Erklärungen solche voraussetzen. Und auch ich kann mich von der Richtigkeit der Minimhypothese nicht überzeugen, da es mir nicht klar ist, was diese Antinomisten damit bezweckten, daß die Juden auf dem Lande die Feste einen Tag früher oder später feierten, oder das beth-din in Jerusalem den Monatsanfang um einen Tag früher ansetzte. Dagegen wäre dieses bei Sadducäern und Samaritanern verständlich, die von den zur Herrschaft gelangten Pharisäern in diesen Punkten abwichen und es deshalb zu verhindern trachteten, daß die pharisäische Ansicht zur Durchführung gelange. Aus einer solchen Absicht erkläre ich mir auch das von Josephus in Antiquit. XVIII 2, 2, 29 ff. Erzählte, daß unter dem Prokurator Coponius (6—9 n. Chr.) Samaritaner, die heimlich nach Jerusalem gekommen waren, am 14. Nissan in den Hallen auf dem Tempelberge Menschengebeine verstreuten. Es sei noch kurz bemerkt, daß nach Friedländer, 82 ff. auch das Buch der Jubiläen gegen die Antinomisten polemisiert. Nun lesen wir in diesem Buche 6, 36, wo der Verfasser für einen Kalender eintritt, der auf ein Jahr von 364 Tagen gegründet ist (32), und jede andere Ordnung des Kalenders für eine Störung der Feste erklärt, Folgendes: es wird Leute geben, die den Mond beobachten, — aber der Mond stört die Zeiten, da nach ihm jedes Jahr um 10 Tage zu früh kommt, — und sie stören die ganze Ordnung der Feste..., Und deshalb warne sie, daß sie das Jahr zu 364 Tagen machen. Abgesehen davon, daß das Jubiläenbuch das Wochenfest wiederholt auf den 15. Siwan verlegt, ist es schwer begreiflich, wie die von ihm Bekämpften die palästinischen Antinomisten sein können, die den Kalender ganz pharisäisch geordnet haben müßten, indem es gegen die Bestimmung des Monatsanfanges durch Beobachtung des Neumondes eifert.


beschlossen sie, Boten auszusenden. Da diese Boten nach der Mischna Rosch haSchana schon zur Zeit des Tempelbestandes ausgesendet wurden,73 gehört die angeführte Verfügung jedenfalls vor das Jahr 70. Ist auch der Urheber dieser bloß die unbestimmte Mehrzahl, so kann es nach dem Inhalte der abändernden Bestimmungen nicht zweifelhaft sein, daß er dasselbe beth-din ist, wie in anderen denselben Gegenstand behandelnden Teilen derselben Mischna. Wir sehen diese Behörde auch andere, auf den Tempel selbst bezügliche Verfügungen treffen. Die Mischna Joma II 2 berichtet nämlich über die Art und Weise der Zuteilung der ersten Diensthandlungen an die Priester beim Morgenopfer im Tempel und erzählt, daß das beth-din infolge der Gefahr, welche die bisherige Gepflogenheit für die Priester in sich barg, verfügte, daß das Abheben der Asche vom Altare durch Verlosung zuerkannt werde. Nach den Wahrnehmungen, die wir in unseren bisherigen Untersuchungen gemacht haben, daß nämlich die zum Dienste sich meldenden Priester auf ihre Familienreinheit vom beth-din in der Quaderkammer geprüft wurden, ferner die Verbrennung der roten Kuh und der Opferdienst am Versöhnungstage unter der Leitung derselben Behörde stand, werden wir kein Bedenken tragen, in dem beth-din, das die Zuteilung der Dienstgeschäfte im Tempel regelte, das in der Quaderkammer zu sehen.74 Das Gleiche gilt
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73) Die Boten des beth-din treffen wir auch in der Mischna Menach. X 3 das nach der pharisäischen Auffassung darzubringende Opfer vom frischen Getreide vorbereiten. Es handelt sich, wie in mehreren anderen Fällen, um eine Demonstration, wie wir eine solche besonders in der absichtlich vorgenommenen Verunreinigung des Hohenpriesters vor der Verbrennung der roten Kuh wahrnehmen konnten; diese war gegen die sadducäische Forderung hoher Reinheit gerichtet.
74) ‎Zählen der Wochen von der Darbringung des ersten Getreideopfers am Passahfeste bis zum Wochenfeste ward nach R. Eliezer in b. Menach. 65b: ‏הרי הוא אומר תספר לך, ספירה תלויה בבית זין שהם יודעים לחדש ממחרת השבת ממדרת יום טוב, יצאת שבת בראשית שספירתה בכל אדם, ‎vom beth-din vorgenommen (vgl. die schwankende Leseart bei Rabbinowicz z. St.); ebenso in Sifre Deut. 136: שבעה שבועות תספר לך, בבית דין, ‏ ‎und b. Menach. 65b von R. Jehuda b. Bethera: ‏ ספירה תלויה בבית דיןDa ‎es sich um die Ansetzung des Wochenfestes und der ‎damit verbundenen Festopfer handelt, die, wie bekannt, von dem zwischen‏ ‎Pharisäern und Sadducäern strittigen Tage der Darbringung des ersten Ge‎treides abhing und die gewiß von jener hohen Behörde ausging, die auch‏ ‎sonst die Feste und den Opferdienst regelte, so ist das beth-din in der ‎Quaderkammer gemeint; s. auch Sifra 106c zu Lev. 25, 8: וספרת לך, בבית דין.


von dem in Tos. Sukka IV 4 Berichteten, wie das Volk zur Feier des ersten Tages des Hüttenfestes, der auf den Sabbath fiel, den Feststrauß wegen des Sabbaths schon am Freitag auf den Tempelberg trug und ihn den Dienern übergab; und wie die Leute am nächsten Morgen, als ihnen die Diener die Feststräuße zuwarfen, diese an sich rissen und es zu Balgereien kam und das beth-din, das die hieraus sich ergebende Lebensgefahr sah, beschloß, daß jeder den Feststrauß zu Hause in die Hand nehme. Da ändert das beth-din die bestehende Art der Gesetzesübung auf dem Tempelberge ab. Und daß diese Behörde dieselbe ist, die wir bereits kennen, erhellt aus Tos. Sukka IV 1 mit hoher Wahrscheinlichkeit. Da wird von der aus Männern und Frauen bestehenden Menge, die sich zur Feier des Festes des Wasserschöpfens am zweiten Tage der Laubhütten auf dem Tempelberge eingefunden hat, erzählt, daß das Beisammensein der beiden Geschlechter zu Leichtsinn und Ausschreitungen führte und diese das beth-din veranlaßten, im Vorhofe drei Gesimse anzubringen, von denen die Frauen der Feier zusahen. Es handelt sich um bauliche Veränderungen an den Gebäuden des Tempels, die das nicht näher bestimmte, aber ohne Zweifel zum Tempel gehörige beth-din verfügt und die, wie wir bereits (Seite 63 ff.) gesehen, wegen des ihnen anhaftenden Heiligkeitscharakters nur durch das beth-din in der Quaderkammer vorgenommen werden dürfen. Es ist hierbei noch zu beachten, daß in dem Parallelberichte der Baraitha in b. Sukka 51b das Subjekt von ‏התקינו‎ die Urheber der Verfügung, überhaupt nicht angegeben sind; ein weiterer Beweis dafür, daß wir bei solchen den Tempel betreffenden Verordnungen als die Urheber ohne Bedenken das beth-din ergänzen dürfen, weil die tannaitischen Berichte über das Heiligtum dieselben als bekannt voraussetzen.75
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In der Mischna Menach. X 5: מפני מה הרתוקים מותרין מחצות היום ולהלן, מפני שהן יודעין ‏שאין בית דין מתעצלין‎‎ kann es auf dieses beth-din bezogen werden; doch ist eher die das Opfer besorgende Priesterschaft als Kollegium, wie in b. Peßah 90b: ‏שאין בית דין של בהנים מתעצלים,‎ gemeint.
75) In all den genannten und mehreren noch zu behandelnden Stellen wird die Verfügung mit dem Worte "pn bezeichnet. Hierzu ist der so bezeichnende Bericht in b. Jebam, 14” 15”, jer, I 3"44, Tos. I 9 zu vergleichen, nach welchem R. Johanan b. Nuri im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts die Notwendigkeit darlegt, über התקינו einen alten Streitpunkt der Hilleliten und Sammaiten, einen Beschluß zu fassen, und sagt: בואו ונתקן להן לצרות שיהו חולצות ‏ולא מתייבמות,


Gegen das Bestehen dieser oder einer ähnlichen Behörde mit soweit gehenden Befugnissen wird man freilich und scheinbar mit vollem Rechte geltend machen, daß als das Natürlichste zu erwarten wäre, daß entweder der Hohepriester, oder der oberste Vorgesetzte der diensttuenden Priesterschaft den Gang des Opferdienstes überwachte. Und in der Tat scheint auch Josephus dieses als Tatbestand vorauszusetzen, wenn er (Contra Ap. II 23, 193) sagt, daß Gott immer die Priester verehren, an deren Spitze der an Geschlecht vornehmste steht; οὗτος μετὰ τῶν συνιερέων ϑύσει τῷ ϑεῷ, φυλάξει τοὺς νόμους, δικάσει περὶ τῶν ἀμφισβητουμένων, κολάσει τοὺς ἐλεγχϑέντας ἐπ’ ἄδίκῳ. ὁ δέ γε τούτῳ μὴ πειϑόμενος ὑφέξει δίκην ὡς εἰς ϑεὸν αὐτὸν ἀσεβῶν. Josephus schreibt hier das Wachen über dem Gesetze dem Hohenpriester zu. Selbst wenn man hierunter das ganze Religionsgesetz und nicht bloß den Tempelkult versteht, wird wohl dieser als die wichtigste und vornehmste Sorge des Hohenpriesters anzusehen und diesem die oberste Aufsicht über das Heiligtum zuzuerkennen sein. Aber man wird gut tun, aus dieser so feierlichen und hochtönenden Schilderung des Josephus keine weiteren Schlüsse auf die Bedeutung und die Stellung des Hohenpriesters zur Zeit des Josephus zu ziehen, wie Schürer (Theol. Stud. und Krit. 1872, 613, vgl. dagegen Grätz III 100, 2) es getan. Man vergleiche die einzelnen Sätze vielmehr mit der von Josephus selbst im letzten Buche seiner Antiquitates geschilderten Wirklichkeit. So mit XX 8, 8, 180, wo die Hohenpriester mit den gemeinen Priestern und den vornehmen Bürgern Jerusalems in Streit geraten, sich an die Spitze von Scharen stellen, einander mit Schmähungen überschütten und mit Steinen bewerfen, und ihren Knechten den Auftrag geben, die den gemeinen Priestern gehörigen Zehnten und Abgaben von den Tennen mit Gewalt zu holen. Man wird dem Schlusse aus dieser Stelle Allerdings entgegenhalten, es seien hier nicht Hohepriester im Amte gemeint, sondern teils bereits abgesetzte Hohepriester, teils nur Mitglieder ihrer Familien. Aber auch dieses ändert an dem Urteile über die Hohenpriester zur Zeit des Josephus nicht viel. Man sehe das Treiben des Gesetzeshüters und
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doch ehe sie dazu kamen לתקן את הדבר, לגמור את הדבר, oder להתקין, trat ein Hindernis ein. Da sehen wir die Behörde in Jabne, das beth-din mit der Abänderung des bestehenden Brauches oder Gesetzes sich befassen und diese ist als תקן oder התקין bezeichnet.


Richters Anan, des Sohnes Anans im Antiquit. XX 9, 1, 199 ff. an and würdige darnach den letzten Satz in Jesephus’ angefürter Schilderung, wonach jeder, der dem Hohenpriester nicht gehorcht, bestraft wird, als ob er gegen Gott selbst sich versündigt hätte. Die Zeit, deren Zustände Josephus in Jerusalem miterlebt hat, ist ein Hohn auf seine Beschreibung von der Stellung und Würde des Hobenpriesters und dieselbe könnte eher als das diesem vorgehaltene Bild eines wahren Trägers seiner Würde angesehen werden. Josephus hat, wie man leicht erkennt, das Ideal eines Hohenpriesters im Auge und umschreibt nur Deut. 17, 8—12, so daß hieraus für die tatsächlichen Verhältnisse der ganzen nachexilischen Zeit nichts zu gewinnen ist.76 Der Hohepriesier hatte allerdings auch unter den Prokuratoren eine gewisse politische Stellung inne; aber gerade dasjenige, was wir zu allen Zeiten und in allen Lagen Judäas beim Hohenpriester in erster Reihe suchen, die Leitung
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76) Kuenen (Gesam. Abhandl. 66, 1) meint, Josephus habe den Hohenpriestar als Vorsitzenden des Synedrions im Auge gehabt. Aber er ist den Bewsis dafür schuldig geblieben, daß das Synedrion im Falle von Zweifeln Auskunft gab und über Schuldige Strafen verhängte. Für das erstere soll wohl der Bericht des R. Jose vom beih-din in der Quaderkammer die Quelle sein, Aber Kuenen, der die Unvereinbarkeit der talmudischen Nachrichten über das Synedrion mit demen des Josephus und der Evangelien überzeugend nachgewiesen hat, hätte bei selbständiger Einsichtnahme in diese Stelle ebenso erkannt, daß die Beziehung derselben auf das Synedrion unzulässig ist. Ebenso unbegründet scheint mir, wenn er (Seite 65) von der Auslegung von Deut. 17, 8—13 bei Josephus in Antiquit. IV 8, 14, 218, daß, wenn die Richter irgend einen Fall nicht entscheiden können, sie denselben nach der heiligen Stadt schicken und dort nach Zusammenkunft des Hohenpriesters, des Propbeten und der Gerusia ihre Ansicht vorlegen, sagt, Josephus übertrage hier den Brauch seiner Zeit auf das mosaische Zeitalter; der Prophet, von dem in der Stelle des Deuteron. keine Spur, müsse augenscheinlich bloß dazu dienen, der Darstellung eine archaistische Färbung zu geben, in Wahrheit aber sei das Synedrion mit seinem rechtmäßigen Vorsitzenden gemeint. Dagegen ist zunächst zu bemerken, daß die Darstellung durch die Einfügung den Propheten nicht archaistischer wird, als sie schon an sich ist: im Gegenteil, sie wird jünger, wie schon Hoffmann (Der oberste Gerichtshof 25 ff.) hervorhebt; abgesehen davon, daß es die Art des Josephus in der Behandlung des Gesetzes ist, die Verhältnisse und die Zustände seiner Zeit auf die biblische zu Übertragen. Und dann bedeutet γερουσία, soweit ich sehe, bei ihm nirgends das Synsdrion seiner Zeit und nur in Antiquit. XII 8, 3, 138, im gefälschten Briefo des Antiochos III, und in jüdisch-hellenistischen Quellen findet sie sich. Ich habe bereits oben Note 57 die Vermutung ausgesprochen, daß der Prophet vielleicht das Oberhaupt der Leviten ist.


und Beaufsichtigung des Heiligtums und der diensttuenden Priesterschaft, finden wir meines Wissens nirgends auch nur angedeutet. Wohl sagt Josephus in Bell. IV 5, 2, 324 von Anan, Sohn Anans, und Jesus, Sohn Gamalas, daß sie mit dem heiligen Gewande bekleidet waren und an der Spitze des über die Welt verbreiteten Gottesdienstes (ϑρησκεία) standen und von den aus aller Welt nach Jerusalem Wallfahrtenden angebetet wurden. Und da bedeutet ϑρησκεία offenbar den Tempelkult! Aber wie diese Anbetung oder ehrfurchtsvolle Verehrung ein nicht zu genau zu nehmendes Wort ist und nur die Größe des durch die Ermordung der beiden Hohenpriester begangenen Verbrechens ausmalen soll, — wird doch zu diesem Behufe Anan als das Muster eines Menschen geschildert und gepriesen, — so dient auch die Verherrlichung des Opferdienstes demselben Zwecke und ist für römische Leser berechnet. Ebenso unrichtig ist die Behauptung des Josephus, daß beide Männer noch kurz vor ihrem Tode als Hohepriester fungiert haben. Denn die Erklärung Schürers (Stud. u. Krit. 1872, 631), daß sie den eigentlichen Hohenpriester beiseite geschoben und den hohenpriesterlichen Dienst versehen hätten, entbehrt jeder Grundlage. Die genauere Untersuchung der politischen Stellung des Hohenpriesters zur Zeit des Josephus und die des Einflusses des Königs auf den Tempel (s. weiter IV 1. 2) liefert für die Bedeutungslosigkeit des ersteren im Heiligtum weitere Beweise.
Hierfür ist auf eine sehr bemerkenswerte Deutung in Sifre Numeri 116, p. 36b hinzuweisen: ושמרו את משמרת הקודש ואת משמרת המזבח, הרי זה אזהרה לבית דין של ישראל להזהיר את הכהנים שתהא העבודה נעשית בתיקנה, שכשהעבודה נעשית כתיקנה הם כלים את הפורענות מלבוא לעולם, sie sollen beobachten die Beobachtung des Heiligtums und die Beobachtung des Altares (Numeri 18, 5), dieses ist ein Befehl an das beth-din Israels, dem Priester aufzutragen, daß der Opferdienst nach Vorschrift vollzogen werde. Es wird dem offenbar mit dem Priesterkollegium nicht identischen beth-din, das als das Israels bezeichnet wird (siehe Seite 77), zur Pflicht gemacht, die Priester an die genaue Erfüllung ihrer Aufgabe zu erinnern. Ebenso heißt es in Sifre Numeri 116, 36a oben: ‏ואתה ובניך אתך תשאו את עון כהונתכם, זה עון דבר המסור לכהנים. אתה אומר, זה עון דבר המסגר לכהנים, או זה עון דבר המסור לבית דין. כשהוא אומר, אתה ובניך אתך תשמרו את כהונתכם לכל דבר המזבח, הרי עון דבר המסור לבית דין אמור, daß nach Numeri 18, 1 die Priester für gewisse Dinge in der Ausübung ihres Priesteramtes verantwortlich sind, während nach Numeri 18, 7 alles, was sie in Verbindung mit dem Altare tun, vom beth-din überwacht werden soll. So lesen wir im Sifra p. 97a: ‏ושמרו את משמרתי, להזהיר בית דין על כך,‎ auf Grund von Levit. 22, 9 und im Sifra 94b — nach dem Wortlaute im Jalkut I 629 und Midrasch haGadol zur Stelle: — מנין שאם אינו רוצה דפנו, תלמוד לומר וקדשתו . . . כי קדוש אני יי מקדשכם, להזהיר בית דין על כך, wo es sich um die Beobachtung des dem Priester allein vorgeschriebenen Gesetzes von seiten des Priesters handelt, daß das beth-din die Ausführung zu überwachen habe und dieselbe im gegebenen Falle durch Gewalt erzwingen dürfe. Kann man auch diese Aussprüche als die seinem Ideale entsprechende Vorstellung des Tannaiten von den Zuständen im Tempel und als den Wunsch der nach der Zerstörung des Heiligtums lebenden Lehrer bezeichnen, so zeigen die berichteten Tatsachen, daß es sich zu der Zeit, auf welche die tannaitischen Meldungen sich beziehen, in Wirklichkeit so verhielt. Denn der Opferdienst der Priesterschaft und auch der des Hohenpriesters stand unter der Aufsicht des beth-din, das in der Mischna Para III 7 als זקני ישראל, in Joma I 3 זקני בית דין, zumeist בית דין im Sifre als ‏בית דין של ישראל‎ bezeichnet wird.
Die bisher besprochenen Verfügungen des beth-din haben wohl nicht den eigentlichen Opferdienst, aber doch solche Einzelheiten zum Gegenstande, die die Ordnung innerhalb des Tempelbezirkes unter Priestern und Laien und den ungestörten Fortgang des Dienstes im Tempel, wie das Verlosen der einzelnen Dienstgeschäfte betreffen. Es kann meines Erachtens nichts dagegen vorgebracht werden, daß das beth-din in der Quaderkammer der Urheber dieser abändernden Verordnungen gewesen ist. In den Kreis des Opferdienstes greift auch eine weitere Abänderung derselben Behörde ein, welche die Mischna Kerith. I 7, Sifra 59bc (vgl. Toßafoth Baba bathra 166a s. v. נכנם) meldet: »Es trug sich zu, daß in Jerusalem ein Taubenpaar einen Golddenar kostete; da sprach R. Simon b. Gamaliel: bei dieser Gotteswohnung! Ich gehe heute nicht schlafen, wenn die Tauben nicht um einen Silberdenar zu haben sind. Er begab sich in das beth-din und bewies, daß eine Frau, die fünfmal geboren oder fünfmal an Blutfluß gelitten hat, nur Ein Opfer zu bringen braucht und darnach am Opfergenusse teilhaben darf, ohne weitere Opfer darbringen zu müssen. Dieses hatte zur Folge, daß die Tauben im Preise sanken.« Hier bestimmt das beth-din, wie viele Opfer eine Frau als Erfüllung der Vorschrift in Levit. 12, 28—30 in gewissen Ausnahmsfällen darzubringen hat; es handelt sich aber in Wahrheit bloß um die Auslegung des Gesetzes, die, wie wir bereits gesehen, ohne Rücksicht auf dessen Inhalt, zu den Befugnissen des beth-din in der Quaderkammer gehörte. Noch bestimmter zeigt sich die Zusammengehörigkeit der den Tempel betreffenden Verfügungen und dieses beth-din in der Mischna Schekal. VII 6. 7: R. Simon (b. Jochai) sagte: sieben Dinge verfügte das beth-din: 1. wenn ein Heide aus dem Auslande an den Tempel ein Ganzopfer schickt und Trankopfer beifügt, werden diese dargebracht, und wenn er sie nicht beilegt, werden sie auf Gemeindekosten bestritten; 2. ebenso wenn ein Proselyt gestorben ist und Schlachtopfer hinterlassen hat, werden die zugehörigen Trankopfer, falls sie nicht von Seinem genommen werden können, aus Gemeindekosten bestritten; 3. es ist eine bedingte Verfügung des beth-din, daß, wenn der Hohepriester stirbt, das ihm vorgeschriebene Speisopfer auf Gemeindekosten dargebracht wird; 4. und 5. daß die Priester das Salz und Holz des Heiligtums zu ihren Opferanteilen verwenden dürfen, ohne sich eines Vergehens an Heiligem schuldig zu machen; 6. daß die Priester bei der Verwendung von Reinigungsasche zu privaten, nichtlevitischen Zwecken sich nicht vergehen; 7. daß unbrauchbar gewordene Vogelopfer auf Gemeindekosten ersetzt werden.77 Nun hat der Midrasch Lev. rabba 2, 9 dieselbe Stelle mit ‏שבעה ‏דברים התקין בית דין הגדול‎ ‎ aus einer anderen Quelle, als der Mischna, wahrscheinlich aus der verlorenen Mekhilta zu Leviticus (vgl. Hoffmann, Einleitung in d. hal. Midr. 76) und nennt als Urheber der Verfügungen das große beth-din. Aber auch ohne diesen Beleg ergibt sich aus dem Bisherigen mit Sicherheit, daß über die Bestreitung von Opferbeigaben aus dem Tempelschatze und über die Behandlung von dem Tempel gehörigen Gegenständen nur eine Behörde verfügen konnte, die dem Heiligtum nahestand. Wir wären wohl geneigt, diese als priesterliche anzusehen; sie ist aber, wie aus der Bezeichnung בית דין של ישראל und ihrer Gegenüberstellung und der der Priester mit hoher Wahrscheinlichkeit folgt, eine außerhalb der Priester-
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77) Vgl. zu diesen Verfügungen Geiger in Jüd. ZS VII 126 ff.


kreise stehende und, wie wir gesehen, berufen, die Pflichterfüllung der diensttuenden Priester zu überwachen.78
Die Nachricht der Mischna Schekal. VI 5 zeigt das gleiche Eingreifen des beth-din in die Beziehungen der Opfernden zum Tempel und seine Verfügung über die Opfergelder des Heiligtums. Da wird nämlich berichtet, daß man den, der im Umkreise von Jerusalem ein herrenloses Tier fand, — ein solches wurde als entlaufenes Opfertier angesehen — durch Pfändung zwang, die erforderlichen Trankopfer beizustellen; daß aber, als diese Maßregel es zur Folge hatte, daß man die Tiere stehen ließ und sich der genannten Verpflichtung durch Flucht entzog, das beth-din beschloß, die Trankopfer aus Gemeindekosten zu bestreiten. Hierzu stimmt es gut, daß der durch Sendboten übermittelte Aufruf an die Juden, die zur Bestreitung aller Gemeindeopfer erforderlichen Schekelbeiträge an das Heiligtum zu senden, und die durch dieselben Boten veranlaßten Vorbereitungen zur Wallfahrt zum Passah nach Jerusalem von demselben beth-din ausgingen; und da bieten die hierauf bezüglichen Nachrichten eine sehr willkommene Bestätigung dessen dar. Die Mischna Schekal. I 1 meldet nämlich: am 1. Adar erläßt man einen Aufruf wegen der Schekel und wegen der verbotenen gemischten Pflanzungen; am 15. Adar liest man die Estherrolle in den Städten, bringt die Straßen, Plätze und Tauchbäder in Ordnung und besorgt alles, was die Allgemeinheit benötigt, bezeichnet die Gräber und zieht aus wegen der gemischten Pflanzungen. Das Subjekt der durchgehends in der Mehrzahl stehenden Verba fehlt ganz; aber Tos. Schekal. I 1—-4, wo die letzten Bestimmungen in vier Sätzen erläutert sind, nennt in jedem die Abgesandten des beth-din und gibt hiermit das beth-din als Urheber der Verfügungen an (vel. Note 52). Auch das in der Mischna Bikkur. III 7, Sifre Deut. 301 Beriehtete: »Ursprünglich las bei der Darbringung der Erstlinge jeder, der lesen konnte, den vorgeschriebenen Abschnitt; wer nicht lesen konnte, dem sagte man denselben vor. Als man jedoch wahrnahm, daß dieses viele von der Darbringung abhielt, beschloß man, den Abschnitt
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78) Vgl, auch Tos, Menach. VII 5. wo die Mischna Menach. IV 4: wenn man das Morgenopfer am Morgen nicht dargebracht hat, soll man es am Abend darbringen אמר רבי שמעון, אימתי, בזמן שהיו אנוסין או שוגגיו, mit einem bemerkenswerten Zusatze wiedergegeben ist: ‏אמר רבי שמעון, אימתי, בזמן שהיו בית דין אנוסין או שוגגין‎ und das beth-din als Leiter des Opferdienstes erscheint.


jedem ohne Unterschied vorzusagen,« werden wir derselben Behörde zuweisen dürfen, wenn auch, wie an anderen bereits behandelten Stellen, das Subjekt überhaupt fehlt. Ebenso in der Mischna Berakh. IX 5: im Heiligtum schloß man alle Segenssprüche mit ;עד העולם als aber die Sadducäer entarteten und sagten, es gebe nur Eine Welt, bestimmte man, daß mit מן העולם ועד העולם geschlossen werde, und man bestimmte, daß man einander mit dem Gottesnamen begrüße. Es handelt sich um den Tempelgesang und die in Verbindung mit den Opfern vorgetragenen Gebete; und da ist auch auf die Veranlassung zur Abänderung des bestehenden Brauches zu achten, der wir bereits bei den gleichfalls abändernden Verfügungen des beth-din im Zusammenhange mit dem Zeugenverhöre und den Bergfeuerzeichen für die Neumondsbestimmung begegneten. Wir sehen hieraus zugleich, daß das beth-din in beiden Fällen dasselbe war, nämlich das in der Quaderkammer. In einer Baraitha (b. Joma 67a, jer. VI 43d 29) wird erzählt, daß man am Versöhnungstage den Purpurfaden, in dessen Farbenveränderung die göttliche Sündenvergebung sich offenbaren sollte, am Eingange der Tempelvorhalle außen anband; daß man aber, als der Anblick desselben oft niederschlagend wirkte, beschloß, den Faden an die Innenseite zu binden, und als die Wirkung die gleiche blieb, weiters beschloß, eine Hälfte des Fadens an den Felsen, von dem der Sündenbock hinabgestürzt wurde, die andere Hälfte an die Hörner dieses selbst zu binden.79 Auch da ist das die Einzelheiten des Opferdienstes regelnde beth-din in der Quaderkammer des Tempels gemeint,80 wie in allen erörterten Fällen mit .התקינו
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79) Ob auch b. Peßach. 57a, Tos. Menach. XIII 18 dieses beth-din gemeint ist, scheint mir nicht sicher. Da lesen wir: ursprünglich legte man die Felle der Opfertiere in der Parwakammer nieder und verteilte sie am Abend unter die Priester der diensttuenden Abteilung. Als aber gewalttätige Männer die Felle an sich rissen, beschloß man, die Verteilung nur am Freitag vorzunehmen; als aber die vornehmen Priester sie auch dann noch mit Gewalt nahmen, weihten die Eigentümer die Felle Gott. Trotz des stereotyp wiederkehrenden התקינו ist nicht ohne weiteres an das beth-din zu denken, da es sich um eine Angelegenheit der Priester handelt. Keinesfalls aber war es eine aus vornehmen Priestern bestehende Behörde, da es eine Maßregel gegen die vornehmen und für die gemeinen Priester trifft, was freilich für das beth-din in der Quaderkammer spricht, vgl. oben 22 ff.
80) Auch der wohl außerhalb des Tempels, aber auf dem Tempelberge abgehaltene Fastengottesdienst wurde vom beth-din verfügt. Die Mischna


Besondere Beachtung verdienen die Verfügungen, welche über die im Gesetze vorgeschriebenen Abgaben überliefert sind. So berichtet die Mischna Ma’asser scheni V 2: die Frucht des neuen Weingartens im vierten Jahre mußte aus allen Orten Palästinas, die nicht mehr als eine Tagereise von Jerusalem entfernt waren, nach dieser Stadt gebracht werden; als aber genug Obst nach Jerusalem kam, beschloß man, daß die Frucht vor den Mauern der Stadt ausgelöst werden dürfe, doch mit dem Vorbehalte, daß der alte Brauch zu jeder Zeit wieder hergestellt werden könne. Es ist von der Art und Weise, in der das Gebot in Lev. 19, 24 erfüllt werden soll, die Rede und schon aus dem Umstande, daß die Sache weder mit dem Tempel zusammenhängt, noch die Priesterschaft angeht, wird klar, daß da weder die Priesterbehörde, noch der Hohepriester notwendigerweise der Urheber dieser Abänderungen war. Es ist offenbar wieder, wie in anderen ähnlichen Fällen, das beth-din gemeint.81 Die Verwendung des nach Jerusalem gebrachten,
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Ta’anith I scheint zwar den nach 70 geübten Brauch zu behandeln, so daß das als Urheber der darauf bezüglichen Verfügungen genannte beth-din das in Jabne oder Uscha wäre. Aber Ta’anith II 5 lehrt, daß der Fastengottesdienst schon vor 70 auf dem Tempelberge am Osttore, also auf dem Platze der Volksversammlungen abgehalten wurde. Enthält ja II 6. 7 die Bestimmungen darüber, wie sich die diensttuenden Priester bei einem wegen anhaltender Dürre eingesetzten Fasten zu verhalten haben, und es ist R. Josua b. Chananja, der noch im jerusalemischen Tempel Dienst verrichtende Levite, der mit seinen Kollegen hierüber Auskunft gibt; und in III 6 ist von einem, während Jerusalems Bestand verfügten Fasten in Jerusalem die Rede. Auch die Verhängung des Bannes ging vom beth-din aus; es läßt sich dieses wohl nur aus der Mischna Ta’anith III 8 beweisen, wo Simon b. Schetach dem Beter Choni sagen läßt: אלמלא חוני אתה גוזרני עליך נדוי, wärst du nicht Choni, ich verhängte über dich den Bann, und hierzu die Ausführung in der Baraitha in b. Ta‘anith 23a hat: ‏מה שלחו בני לשכת הגזית לחוני המעגל, was ließen die Mitglieder der Quaderkammer dem Choni sagen? Hier ist es also das beth-din in der Quaderkammer, das den Bann androht und verhängt; vgl. die Mischna 'Eduj. V 6 über 'Akabja b. Mahalal’el: man tat ihn in den Bann und er starb im Banne und das beth-din steinigte seinen Sarg. Da sagte R. Jehuda: Gott bewahre, daß ‘Akabja mit dem Banne belegt worden wäre; wurde doch der innere Vorhof vor keinem Israeliten geschlossen (?), der 'Akabja an Weisheit und Frömmigkeit gleichkam! Von dem Banne kleiner Behörden haben wir keine Kenntnis.
81) In jer. Ma’asser scheni V 56a 7 teilt der späte Amoräer Hela, ohne Zweifel auf Grund einer tannaitischen Überlieferung mit, daß früher, (als die Vorschrift noch beachtet wurde), die Eigentümer aus den Trauben bei Beobachtung strenger levitischer Reinheit Trankupferwein preßten, so daß von


den Eigentümern gehörigen zweiten Zehnts betrifft die Verordnung in jer, Ma'asser scheni I 52d 59: ursprünglich hieß es, man dürfe für den Erlös des ausgelösten Zehnts Rinder zum Fleischgenusse kaufen; da aber die Leute hierdurch solche Tiere dem Altare als Mahlopfer entzogen, sagte man, daß selbst Wild und Geflügel nicht gekauft werden dürften. Das für den Erlös des zweiten Zehnts gekaufte Fleisch erfuhr eine besondere Behandlung: es wurde ihm die Fähigkeit zugesprochen, die Hände zu verunreinigen (Tos, Ma’asser scheni I 9, Tos. Nidda IX, 18); und auch hierin steigerte man die Strenge, was jedoch nicht mit dem stehenden ‚התקינו sondern mit נזרו bezeichnet wird. Und auch da kann es nur, wie bei der Maßregel in Schekalim, das beth-din gewesen sein, das den Heiligkeitsgrad des Fleisches bestimmte. In einer anderen, denselben Zehnt behandelnden Verfügung (jer. Ma'ass. scheni IV 55a 55, Tos, IV 5), welche dem unlauteren Vorgehen beim Auslösen des Zehnts steuern sollte, finden wir zwei durch ‏התקינו‎ bezeichnete Abänderungen; ebenso in der Bestimmung der Baraitha in b. Baba kamma 97d (vgl. jer. Ma'ass. scheni I 52d 16), daß beim zweiten Zehnt in Jerusalem jede Münze verwendbar sei. Auch bei der Durchführung des Sabbathjahrgesetzes sehen wir das beth-din in Wirksamkeit. Denn von seinen auch anderweitig bereits erwähnten Sendboten berichtet Tos. Schebi‘ith VIII 1: ursprünglich kamen die Sendboten des beth-din in den Eingang der Ortschaften; jedem, der Früchte mitbrachte, nahmen sie dieselben ab und gaben ihm für drei Mahlzeiten davon, das Übrige hinterlegten sie in den Speichern des Ortes. Als die Feigenzeit kam, mieteten die Abgesandten des beth-din Arbeiter und schafften die Feigen in die Speicher des Ortes; ebenso verfuhren sie mit dem Wein und den Oliven. Von allen Lebensmitteln wird dann jeden Freitag unter die Bewohner verteilt (vgl. Schwarz, Toßifta z. St. 115b). Das erste Wort dieser Meldung zeigt, daß wir es nicht etwa mit akademischen
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dieser Abgabe — die Bezeichnung ist nur im uneigentlichen Sinne zu verstehen — keine Trauben nach Jerusalem kamen. Dieses hatte die in der Mischna verzeichnete Verordnung zur Folge, daß man nämlich aus einer Entfernung von einer Tagereise um Jerusalem die Frucht des Weinstockes selbst nach der Hauptstadt zu bringen habe; und erst als die Frucht in Menge nach Jerusalem gebracht ward, — meldet die Mischna — wurde wieder die Auslösung gestattet.


Aufstellungen, sondern mit der Schilderung tatsächlicher Vorgänge, sehr wahrscheinlich aus der Tempelzeit zu tun haben. Man könnte allerdings an die Ortsbehörden denken, welche die Durchführung des Gesetzes in ihrem Bezirke besorgen und überwachen; aber die ‚שלוחי בית דין denen wir schon bei den Schekeln und der Ausrottung gemischter Pflanzungen begegnet sind, sprechen für die Behörde in Jerusalem. Diese kann aber weder das Synedrion sein, das sich, soweit wir unterrichtet sind, um die Durchführung des Religionsgesetzes nicht kümmerte, noch die priesterlichen Tempelbehörden, die die Beobachtung des Sabbathjahrgesetzes bei der Bevölkerung nichts anging. Es ist vielmehr, wie überall, das beth-din in der Quaderkammer, welches das religionsgesetzliche Handeln regelte.82 Über die schon erwähnte Beseitigung von durch das Zusammensäen verschiedener Arten entstandenen Pflanzungen berichtet R. Jehuda b. Ilai (b. Moed kat. 6b, jer. Schekal. I 46a 43): ursprünglich entwurzelten sie (die Sendboten des beth-din) die Pflanzen und warfen sie dem Vieh vor, was den Besitzern der betreffenden Felder doppelte Freude bereitete; ... da beschlossen sie, daß die Pflanzen auf die Straße geworfen werden, was jenen auch recht war ...; da beschlossen sie, daß das Ganze für herrenlos erklärt werde. Fehlt auch hier die Angabe, daß sich dieses zur Tempelzeit zugetragen hat, so berichtet Tos. Schekal. I 3 im Zusammenhange mit den anderen, in der Mischna Schekal. I 1 aus der Tempelzeit aufgezählten Dingen, daß am 15. Adar die Abgesandten des beth-din auszogen und die Pflanzungen gemischter Arten für herrenloses Gut erklärten. Hieraus ist ersichtlich, daß auch die letzte Phase der auf diesen Gegenstand
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82) Hierher gehört wahrscheinlich auch das in der Mischna Ma’asser scheni V 8 Berichtete: R. Jehuda sagte: ursprünglich sendeten sie zu den Ackerbesitzern auf dem Lande: bringt euere Bodenerträgnisse schleunigst in Ordnung, ehe die Zeit des Wegräumens der Zehnten kommt; dann kam R. Akiba und stellte fest, daß alle Bodenerträgnisse, die sich noch in einem der Verzehntung nicht unterliegenden Zustande befinden, auch dem Gesetze über die Wegschaffung nicht unterliegen. Da hier nicht gerade die Zeit unmittelbar vor R. Akiba, also nach der Tempelzerstörung gemeint sein dürfte, sondern, wie in anderen mit בראשונה eingeleiteten Berichten des R. Jehuda, auch kurz vor 70, so haben wir auch hier das beth-din in der Quaderkammer anzunehmen. Dafür spricht überzeugend die Tatsache, daß ein dem hier vorgeschriebenen ähnliches Verfahren in b. Synhedr. 11b als von R. Gamaliel I beobachtet gemeldet wird; vgl. Toßafoth z. St. s. v. .מן


bezüglichen Abänderungen der Tempelzeit angehört und vom beth-din ausgegangen ist.83
Diesen Schlüssen scheint jedoch die ganz bestimmte Angabe in der Mischna Ma’asser scheni V 15, Sota IX 10 zu widersprechen; denn da heißt es: ‏יוחנן כהן גדול העביר הודיית המעשר, אף הוא בטל את המעוררים ואת הנוקפים, ועד ימיו היה פטיש מכה בירושלים, ובימיו אין אדם צריך לשאול על הדמאי. Ist auch der Inhalt des größten Teiles dieser Meldung weder aus dem Wortlaute, noch aus den in beiden Talmuden (jer. Sota IX 24a b. 47b 48a) gegebenen Erklärungen desselben mit Sicherheit zu erkennen, so unterliegt es keinem Zweifel, daß der erste Satz die Aufhebung des Bekenntnisses über die erfolgte Ablieferung der vorgeschriebenen Zehnten durch den Hohenpriester Jochanan meldet. Hiernach aber hat sich der Hohepriester und nicht, wie wir aus einer Reihe von Nachrichten ermittelt haben, das beth-din mit der Abänderung eines auf die levitischen Abgaben bezüglichen Tempelbrauches befaßt. Die so naheliegende Lösung dieses Widerspruches ist nicht etwa darin zu suchen, daß der Hohepriester Jochanan, wie allgemein angenommen wird, mit dem Fürsten Johann Hyrkan identisch ist und dieser als Fürst und Hoherpriester volle, unumschränkte Gewalt über den Tempel und in der Regelung des Religionsgesetzes in Anspruch nahm (vgl. Josephus, Antiquit. XIII 10, 6, 296; 16, 2, 408); sondern, wie ich glaube, in der Verschiedenheit der Verhältnisse, auf die sich die beiden, einander widersprechenden Nachrichten beziehen. Alle Schilderungen der Mischna und der tannaitischen Quellen haben, wie bekannt, den von den Pharisäern geleiteten und nach deren
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83) Hier ist noch auf Judith 11, 14 hinzuweisen: »Auch haben sie nach Jerusalem Männer gesendet, — weil die dort Wohnenden auch Solches getan haben, — die ihnen Nachlaß von Seiten des Rates bringen sollen (dafür, daß sie die Erstlinge des Getreides und die Zehnten an Wein und Öl, welche sie aufbewahrt hatten, um sie den Priestern zu geben, aufgezehrt haben).« Der erste Satz gibt keinen annehmbaren Sinn und enthält offenbar einen Textfehler; denn der Zusammenhang zeigt, daß sich nicht die Jerusalemer auf die angegebene Weise versündigt haben. Durch die Rückübersetzung ins Hebräische dürfte das offenbar mißverstandene Pronomen wieder verständlich werden und folgenden Sinn etwa ergeben: sie schickten Männer aus der Mitte der Stadtbewohner, welche die Sünde begangen hatten, nach Jerusalem als Abordnung. Die Behörde, die den Sündennachlaß gewähren soll, ist Gerusia genannt, ohne näher bestimmt zu sein. Nach den obigen Ausführungen ist sie offenbar die biblisch als עדה bezeichnete Behörde in der Quaderkammer: s. Note 76 unten.


Auffassung gestalteten Opferdienst zum Gegenstande. Da war es ihr beth-din, das allein den Dienst im Heiligtum leitete, durch seine Vertreter den Hohenpriester am Versöhnungstage und bei der Verbrennung einer roten Kuh überwachte, um ihn an der Betätigung sadducäischer Ansichten über Einzelheiten des Opferdienstes zu verhindern, und das die in den früher erörterten Stellen berichteten Änderungen im Heiligtum sowohl, wie in der Beobachtung des Religionsgesetzes im ganzen Lande vornahm. Vor den Pharisäern jedoch scheint dieselben Rechte der Hohepriester ausgeübt zu haben, allerdings nicht allein, sondern gleichfalls im Vereine mit dem beth-din in der Quaderkammer; und er übte auf diese ihm gleichgesinnte, vielleicht auch von ihm geleitete Behörde einen solchen Einfluß aus, daß er als der Urheber der abändernden Verfügungen galt, wie wir gleiches auch bei den Vorsitzenden des pharisäisch gewordenen beth-din beobachten werden. Ich will schon jetzt bemerken, daß mir der hier als Urheber der Abstellung des Zehntenbekenntnisses genannte Hohepriester Jochanan84 nicht der Fürst Hyrkan zu sein scheint, sondern einer der Hohenpriester im letzten Jahrzehnt vor der Tempelzerstörung.
Es ist für unsere eigentliche Frage noch auf b. Sukka 56b den kurzen Bericht über den Abfall der Priestertochter aus der Abteilung Bilga hinzuweisen: וכששמעו חכמים בדבר, קבעו את טבעתה וסתמו את חלונה, wonach die Weisen, die davon hörten, den dieser zugewiesenen Ring (auf dem Schlachtplatze des inneren Vorhofes) unbeweglich machten und ihr Fenster verschlossen.
Enthält auch die Parallelmeldung (Tos. Sukka IV 26, jer. V
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84) b. Sota 48a oben hat eine Baraitha erhalten תניא, אף הוא ביטל את הוידוי וגזר על הדמאי, לפי ששלח בכל גבול ישראל וראה שאין טפרישין... Da ist zunächst zu bemerken, daß diese Baraitha die Fortsetzung einer Aufzählung der in der Mischna genannten Punkte enthält, welche in der Reihenfolge nicht mit dieser übereinstimmt; ebenso Tos. Sota XIII 10, die in der Tat das Zehntenbekenntnis an letzter Stelle behandelt. Andererseits ist es trotz der Quellen‏angabe in b. Joma 9a: דתניא, לפי ששלח בכל גבול ישראל וראה שאין מפרישין, nach welcher auch diese Begründung tannaitisch wäre, klar, daß diese eine jüngere, sehr wortreiche Erklärung ist; denn sie hat mit den an die aramäischen, sehr knapp gehaltenen Sätze der Fastenrolle sich anschließenden Ausführungen nicht bloß die Ausdrucksweise, sondern auch die ganze Art des Begründens gemein. Und in der Tat haben Handschriften bei Rabbinowicz dieses ‏דתניא‎ ‎nicht und in jer. Sota IX 24b 50 führt der Amoräer R. Jochanan diesen Teil nicht als Baraitha an.


55d 40) den Urheber der über die Priesterabteilung verhängten Strafe überhaupt nicht und läßt ihn nur im Plural des Zeitwortes als das beth-din ahnen, so können die חכמים doch richtig sein; obwohl man nicht gleich einsieht, wie diese zu einer in den Tempeldienst eingreifenden Maßregel sollten befugt gewesen sein. Für die Richtigkeit dieser Überlieferung spricht eine andere Meldung in b. Joma 38a (Tos. II 5, jer. III 41a 40—50). Da wird erzählt, wie die beth-Garmo und die beth-Abtinas ihre Stellung als Bäcker der Schaubrote, beziehungsweise als Anfertiger des Räucherwerkes für den Tempel niederlegten, weil sie ihre Kunst niemand lehren wollten, und die Weisen, die dieses hörten, Künstler derselben Fächer aus Alexandrien kommen ließen; und wie die Weisen, als sie sahen, daß diese sich nicht bewährten, den zurückgetretenen beth-Garmo das Gehalt verdoppelten, worauf diese ihre Tätigkeit wieder aufnahmen, und wie das Gleiche bei den beth-Abtinas sich abspielte; nachher befragten die Weisen die Künstler nach dem Grunde ihrer Weigerung, ihre Kunst Anderen zu lehren. Die Weisen sind es hiernach, die Beamte am Tempel anstellen, denselben das Gehalt erhöhen und Künstler für das Heiligtum aus Alexandrien berufen. Wir finden sie in gleichen Beziehungen zum Tempel in b. ‘Arakhin 10b (Tos. II 3, jer, Sukka V 55c 51) wieder. Da lesen wir: das Klangbecken im Heiligtum war aus Kupfer und hatte einen angenehmen Klang; als es diesen verlor, ließen die Weisen Künstler aus Alexandrien kommen, deren Verbesserung jedoch ohne Erfolg war; als man ihre Zutat beseitigte, war alles wieder in Ordnung. Dasselbe wird vom Mörser des Tempels erzählt und wenn auch hierbei die Auftraggeber nicht bezeichnet sind, so ist doch klar, daß es dieselben, wie beim früheren Geräte waren (vgl. Chwolsons Festschrift 29). Diese חכמים müssen sonach eine Behörde gebildet haben, die den Opferdienst im Tempel überwachte, Priesterabteilungen aus demselben strafweise verdrängte, Beamte für die Arbeiten im Tempel und Künstler zur Ausbesserung von Geräten desselben berief, mit einem Worte die Leitung und Herrschaft im Heiligtum innehatte. In Tos, Kelim 3 II 2 erzählt R. Eleazar b. R. Zadok, dem wir auch sonst interessante Mitteilungen aus Jerusalem vor 70 verdanken, daß auf dem Tempelberge Balken lagen, auf denen Handwerker saßen und Steine glätteten ‏ ולא חשו להם הכמים משום טומאהund die Weisen hierbei keine Rücksicht auf die levitischen Reinheitsgesetze nahmen. Sie sind sonach die Behörde, die auf dem Tempelberge die Wahrung der levitischen Reinheit überwacht. In Sota VII 8 lesen wir, daß die Weisen den König Agrippa lobten, weil er den Abschnitt aus der Thora stehend vorgelesen hat (vgl. auch b. Kethub. 17a, Semach. XI). Nach jer. Schekal. VIII Anf. 51a (vgl. Tos. 'Eduj. III 3, b. Menach. 103b unt.) ist ihr Urteil über levitische Reinheit auch den Wallfahrern in Jerusalem maßgebend.85 Sie verbieten den diensttuenden Priestern, am Sabbath, auf den der Opfertag des Passah gefallen war, den inneren Vorhof vom Opferblute zu reinigen (Peßach. V 8); sie schreiben Mirjam aus Palmyra vor, wie sie als Naziräerin zu opfern habe (Nazir VI 11); sie gestatten den Bewohnern von Jericho, am 14. Nissan Palmen zu pfropfen, das Schema‘ in einer ihnen eigenen Weise zu lesen, die Ernte vor der Darbringung des ersten Getreides im Tempel zu beginnen, verboten ihnen aber, vorher neue Getreidehaufen aufzuschichten, von Gott geweihten Bäumen Äste zu verwenden und — nach der Überlieferung des R. Jehuda — von Gemüsepflanzungen die Feldecke für die Armen stehen zu lassen (Menach. X 8, b. Menach. 71a). Mag auch manche Anfrage bloß ihre moralische Autorität beweisen, der größere Teil dieser Entscheidungen kennzeichnet sie als Behörde, die das Gesetz autoritativ auslegte, dessen Erfüllung regelte, Priestern und Laien in gleicher Weise Vorschriften gab, genau so wie das beth-din in der Quaderkammer. Die Weisen als Behörde sind demnach entweder mit diesem beth-din identisch, oder haben es abgelöst. Und, um auch auf eine agadisch gefärbte Stelle als Beleg hinzuweisen, führe ich schließlich den Bericht des
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85) Sifra p. 94a (jer. Nazir VII 55d 71, Semach. V) erzählt, daß ein Priester namens Josef b. פכסם bei der Operation eines Geschwüres am Fuße aus Rücksicht auf die levitische Reinheit seinen Sohn Nechunja sich entfernen hieß; ‏וכשבא דבר לפני חכמים אמרו, על זה נאמר, יש צדיק אובד בצדקו,‎ als die Weisen hiervon Kunde erhielten, sagten sie: von einem solchen Manne heißt es; es gibt Fromme, die aus Frömmigkeit zugrunde gehen. Unmittelbar vorher heißt es im Sifra: dem Priester Josef starb die Frau am 14. Nissan und er wollte sich an ihrem Leichnam (wegen des Passah) levitisch nicht verunreinigen ‏ודחפוהו חכמים וטמאוהו על כרחו,‎ und die Weisen zwangen ihn dazu. Der Parallelbericht in b. Zebach. 100a, Semach. IV hat: ונמנו אחיו הכהנים. in beiden Fällen erscheinen die Weisen bei den Priestern; im zweiten als die obersten Vertreter des Gesetzes. Vgl. auch b. Rosch haSchana 18a oben.


Amoräers Samuel aus b. Kiddusch. 31a an: man fragte den R. Eliezer, wie weit das Ehren von Vater und Mutter zu gehen habe; und er verwies die Fragesteller auf das Vorgehen des Heiden Dama b. Nethina. Von diesem wollten nämlich die Weisen Edelsteine für das Efod des Hohenpriesters um einen hohen Betrag kaufen; aber der Schlüssel des Schrankes lag unter dem Kopfe seines ruhenden Vaters, den Dama nicht stören wollte. Gott belohnte ihn damit, daß ihm ein rotes Kalb geworfen wurde, das ihm die Weisen abkauften. Hier haben wir die חכמים bei dem Besorgen der Edelsteine für das hohenpriesterliche Gewand und dem einer roten Kuh für den Tempel, wie oben bei der Bestellung von Beamten und Künstlern. Und es fragt sich nach all diesen Berichten, ob sie Mitglieder des beth-din sind oder irgend eine nicht so hochstehende Vertretung des den Tempel leitenden Pharisäerkreises ?
Eine interessante Belegstelle hierfür ist Tos. Para III 6.86 Da wird erzählt: Ismael, Sohn Fiabis verbrannte zwei rote Kühe; die eine, als er bloß den levitischen Reinheitsgrad eines von seiner Unreinheit sich Reinigenden, der vor Sonnenuntergang ein Tauchbad genommen, hatte, die andere mit höherem Reinheitsgrad, da er erst nach Sonnenuntergang gebadet hatte; und sie stritten wegen derselben mit ihm. Es ist schwer, aus dem verderbten Wortlaute das Richtige über den Verlauf der Kontroverse herauszuschälen; und es gelingt dieses erst nach sehr ernsten, nicht immer sicheren Eingriffen in den Wortbestand (vgl. Schwarz, Der hermeneut. Syllog. 142ff.). Aus dem Schlußberichte der Toßiftastelle jedoch: »Sie sagten ihm: wenn wir die von dir zubereitete Asche als brauchbar anerkennen, so verurteilen wir die früheren Verbrennungen, da man sagen wird, diese seien von levitisch unreinen Priestern ausgeführt worden. Sie zwangen ihn hierdurch, die Asche auszuschütten, und er verbrannte eine zweite Kuh im Zustande geringerer levitischer Reinheit,« ergibt sich ohne weiteres mit voller Sicherheit, daß die Gegenpartei des Hohenpriesters die pharisäischen Lehrer sind. Und daraus, daß sie ihn überzeugen und zum Nachgeben vermögen, folgt ebenso klar, daß die erste Kuh nach sadducäischer, die zweite nach pharisäischer
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86) Vgl. die richtigen Lesearten im Mischnakommentare des R. Simson zu Para III 4 und Brüll in Beth-Talmud I 243.


Lehrmeinung behandelt wurde, sonach in der Schilderung der Toßifta eine Umstellung der beiden Teile vorgenommen werden muß. So hat auch der Midrasch haGadol zu Numeri 19, 9 die Stelle richtig: ‏מעשה בישמעאל בן פיאבי שעשה פרה אדומה במעורבי שמש ואמרו לו חכמים, אם מקיימין אנו את זאת. מוציאין אנו שם רע על הראשונות ויהיו אומרים טמאות היו. וגזרו עליה ושפכה וחזר ועשה אחרת בטבול יום. Da haben wir nun ausdrücklich die Pharisäer oder die חכמים als diejenigen genannt, die den sadducäischen Hohenpriester zum Aufgeben seiner Meinung bewogen haben. Sie sind es also, die auf die Art und Weise der Verbrennung einer roten Kuh Einfluß nehmen, wenn es auch dazu, wie der Bericht zeigt, langwieriger Auseinandersetzungen bedarf und sie erst, nachdem der Hohepriester sadducäisch gehandelt, hervortreten, dieses also noch nicht zu verhindern vermochten. Andererseits sehen wir die Mitglieder des beth-din die Verbrennung einer roten Kuh überwachen; doch bereits in solcher Stellung, daß sie es von vornherein verhindern, daß der Hohepriester, den sie sogar seines höheren levitischen Reinheitsgrades nicht nur ungehindert, sondern im vollen Bewußtsein ihres Rechtes hierzu auch absichtlich berauben, sadducäisch vorgehe. Aus der Vergleichung der beiden Tatsachen ergibt sich, daß die חכמים dem Hohenpriester Ismael b. Fiabi gegenüber wohl den moralischen Einfluß geltend machen und hierdurch und durch mühselige gelehrte Erörterungen ihre Ansicht durchsetzen konnten, aber noch nicht über die amtliche Macht verfügten, wie sie später in beth-din sichtbar wird.87
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87) ‎Was die Zeit des Vorfalles betrifft, so sind zwei Hohepriester mit‏ Namen ‎Namen Ismael b. Fiabi bekannt; der eine aus Antiquit, XVIII 2, 2, 34, von‏ ‎Valerius Gratus eingesetzt etwa 15—16, der andere von Agrippa II um 59-61‏ ‎in Antiquit. XX 8, 8, 179; 8, 11, 196. Da der zweite auch sonst in der ‎talmudischen Literatur vorkommt, wäre es eigentlich nicht schwer, sich‏ ‎auch ohne Beweise für ihn zu entscheiden. Aber die talmudischen Nach‎richten stimmen nicht ganz zu dieser Annahme und sind selbst erst zu be‎leuchten. Die Mischna Para IV 5 zählt die Hohenpriester auf, von denen‏ ‎rote Kühe behufs Gewinnung von Reinigungsasche verbrannt wurden, und‏ ‎es heißt: Simon, der Gerechte, Jochanan, der Hohepriester, je zwei, Eljoenai,‏ ‎Sohn Kaifas, Chananel, der Ägypter, und Ismael, Sohn Fiabis, je eine; von‏ ‎Ezras Zeiten angefangen sind sieben verbrannt worden. Wer da weiß, wie‏ ‎wenig die jüdischen Quellen über den Zeitraum von Ezra bis zu den Has‎monäern bewahrt haben, wird sich des Mißtrauens gegen diese Angabe‏ ‎nicht erwehren können. Nun ist außerdem die Person Simons, des Gerechten‏ ‎in mehreren talmudischen Berichten mit den letzten Jahrzehnten vor der


Überblicken wir die ganze Reihe der Verfügungen, die in der talmudischen Literatur auf das beth-din teils ausdrücklich zurückgeführt werden, teils als demselben gehörig erwiesen wurden. Da sehen wir, daß sie sich zum großen Teile
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Tempelzerstörung verknüpft und er erscheint auch als Zeitgenosse des Kaisers Caligula. Hiernach wären auch die übrigen, in der Mischna zusammengestellten Hohenpriester, die ja nach Simon stehen, um dieselbe Zeit zu setzen. Hiegegen spricht nicht die Nennung von Jochanan, dem Hohenpriester; denn es muß hiermit, wie bald gezeigt werden soll und bereits oben Seite 92 erwähnt wurde, keineswegs Johann Hyrkan gemeint sein, wie allgemein angenommen wird, sondern es kann ein späterer, etwa Anan, Sohn Anans sein. Drei der hier genannten behandelt auch die Angabe des gut unterrichteten Amoräers R. Jochanan in b. Joma 9a, nach welcher Simon, der Gerechte 40, Jochanan, der Hohepriester 80, Ismael, Sohn Fiabis 10 Jahre gewirkt hat; und nach Einigen Eleazar, Sohn Charsoms 11 Jahre. Die Beurteilung dieser augenblicklich als rund kenntlichen Zahlen ergibt sich aus der einfachen Erwägung, daß keiner der beiden Ismael, Söhne Fiabis, länger als zwei Jahre fungirt hat; so daß nicht einmal der Schlüssel zur Reduzierung der Zahlen auf die der Wirklichkeit entsprechenden gesucht werden kann. Es scheint die Steigerung progressiv fortgeschritten zu sein, etwa derart, daß für ein Jahr 10, für zwei Jahre 40, für drei 80 gesetzt wurden. Da in der Reihe der Mischna auch Eljoenai, Sohn haKajjafs genannt ist, der nur mit Eljoenai, dem Sohne Kantheras’ (Niese hat Kithairas) in Antiquit. XIX 8, 1, 342 identisch sein kann, dem von Agrippa I um 44 eingesetzten Hohenpriester, so haben wir einen sichern Beweis dafür, daß wir nur die Hohenpriester der letzten Jahrzehnte zu berücksichtigen brauchen. Am längsten hat unter den Hohenpriestern dieser Zeit Anania, Sohn Nedebaios’, gewirkt (47—59), der vielleicht mit dem Hohenpriester Jochanan gemeint ist. Dagegen macht die Nennung Chanam’els, des Ägypters, dieser Ansetzung Schwierigkeiten, da allgemein angenommen wird, er sei mit dem von Herodes eingesetzten Ananel, dem Babylonier identisch. Aber abgesehen von der Verschiedenheit der Namen und der Heimat der beiden, die man durch Grätz’ (III 98) und Schürers (III 216, 5) Erwägungen kaum wird befriedigend erklären können, und von der Stellung Chanam’els innerhalb der Aufzählung selbst, ist es bei der Wahrnehmung, daß die übrigen vier von 44- 62 fungiert haben, nicht bloß möglich, sondern auch wahrscheinlich, daß Chanam’el nicht mit Ananel identisch ist. Als Wiedergabe seines hebräischen Namens wäre Theophilos das Nächstliegende und es wäre an Theophilos, den Sohn Ananos’, den von Vitellius im Jahre 37 ernannten und von Agrippa I abgesetzten Hohenpriester zu denken. Was nun Ismael, den Sohn Fiabis, betrifft, so wird von ihm in der Mischna die Verbrennung von nur einer Kuh gemeldet, während, wie wir gesehen, die Toßifta mit genauer Angabe der Umstände und der Veranlassung ihm zwei zuschreibt. Der Widerspruch hat zwar für unsere Zeitansetzung der Wirksamkeit Ismaels keine Bedeutung, da er auch für den ersten Ismael besteht; er ist aber dadurch zu erklären, daß die Mischna die nach sadducäischer Weise vorgenommene Zubereitung


mit dem Opferdienste befassen und mit allem, was mit den Personen und Gegenständen desselben zusammenhängt; dann mit der Erfüllung der an den Bodenertrag sich knüpfenden Satzungen, der über die Feldecke, den zweiten Zehnt, das Brachjahr, die gemischten Arten, schließlich auch mit der Überwachung der Beobachtung des Religionsgesetzes überhaupt. Andererseits finden wir unter den zahlreichen Berichten auch nicht einen, der von dieser Körperschaft eine bürgerrechtliche oder eine strafrechtliche Entscheidung melden würde;88 noch weniger ist in ihrer Wirksamkeit auch nur eine Spur von irgend einem Punkte zu entdecken, der nach den Evangelien
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der Reinigungsasche nicht mitgerechnet hat. Ismael wird besonders in der Mischna Sota IX 15 verherrlicht, indem gesagt wird: משמת ישמעאל בן פיאבי בטל זיו הכהונה, mit ihm sei der Glanz der Hohenpriesterwürde erloschen. Diese Angabe klingt allerdings sonderbar, da Ismael nicht in Jerusalem und erst nach 70 gestorben zu sein scheint, wie Josephus (Bell. VI 2, 2, 114) erzählt, daß der Hohepriester Ismael nach der Zerstörung Jerusalems in Kyrene enthauptet wurde. Aber die Identifizierung beider (Schürer II 219) ist mehr als fraglich, da Josephus es nicht unterlassen hätte, die Identität zu erwähnen, und es viel näher lag, auf seinen Namen, als auf seine später erfolgte Hinrichtung hinzuweisen. Seine bereits berichtete Nachgiebigkeit gegenüber den Pharisäern mag ihm das Lob der Mischnalehrer eingetragen haben. Noch stärker ist das ihm gespendete Lob in der Baraitha b. Peßach. 57a, der Vorhof habe ausgerufen: שאו שערים ראשיבם ויבנם ישמעאל בן פאבי תלמידן של פנחס וישמש בבהונה גדולה, daß sich die Thore öffnen, damit Ismael, Sohn Fiabis, der Jünger des Pinchas einziehe und das Hobhepriesteramt übernehme. Die entgegenstehende Nachricht in b. Peßach. 57a, daß auch sein Haus mit dem Volke wegen der Zehnten schlecht verfuhr, spricht nicht gegen seine Person (vgl. Brüll in beth-Talmud I 241). Er war sehr reich, denn seine Mutter machte ihm zum Versöhnungstage ein Dienstgewand für 100 Minen (Tos. Joma II 21, jer. III 40d 25, b. 35b).
88) In der Mischna 'Eduj. II 3 erzählt allerdings R. Jehuda b. Baba, daß unweit Jerusalems in einem kleinen Dorfe ein alter Mann oder Lehrer lebte, der den Dorfbewohnern Geld lieh und eigenhändig den Schuldschein schrieb, den dann die Zeugen unterfertigten; als die Sache vor die Weisen gebracht wurde, erklärten sie die Urkunde für zulässig. Da haben wir nun einen bürgerrechtlichen Fall, der zeigt, daß die Behörde der Weisen sich auch mit solchen befaßte, was unserem Ergebnisse widerspricht. In Wahrheit jedoch kann es sich da nicht bloß um diesen Einzelfall gehandelt haben, indem die Giltigkeit eines solchen Schuldscheines etwa bestritten wurde, sondern es lag die grundsätzliche Frage vor und das beth-din wurde um die Entscheidung in derselben angegangen. Es ist zu beachten, daß nicht Inmwsm die richtige Lesart ist, wie sie die Ausgaben in b. Gittin 20" haben, sondern ‏והכשירוהו והתירו, das heißt, das Vorgehen wird als zulässig, nicht der Einzelfall für giltig erklärt.


oder nach Josephus zu den Befugnissen des Synedrions oder einer anderen ähnlichen Behörde in Jerusalem gehörte. Ist dieses Ergebnis der langwierigen Untersuchung, das die Identität dieses beth-din mit dem Synedrion völlig ausschließt, als begründet anerkannt, so haben wir eine für das religiöse Leben der palästinischen Juden sehr wichtige Tatsache erfahren. Was dem religiösen Leben und Handeln des Volkes, soweit Amtspersonen und Behörden in Frage kamen, Richtung gab, war nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, das weltliche, aus vornehmen Priestern und anderen Aristokraten bestehende Synedrion, das von seiner zeitlich unbekannten Entstehung bis zum Untergange Jerusalems diesen seinen aristokratischen Charakter bewahrte und in das ein nur schwacher pharisäisch-demokratischer Einschlag drang.89 Es war vielmehr
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89) Die Pharisäer, von denen die Evangelien so oft, aber wegen der Allgemeinheit der wiederholten bloßen Nennung inhaltlich so wenig erzählen, treten bei politischen Verhandlungen im ersten Jahrhundert n. Chr. nachweislich erst in den Anfängen des großen Krieges gegen Rom auf; nämlich als es sich um den Versuch handelt, die von der diensttuenden Priesterschaften‎ ‎verfügte Maßregel, von Nichtjuden weder Opfer, noch Geschenke für den Tempel anzunehmen, rückgängig zu machen. Da werden οἱ τῶν Φαρισαίων γνώριμοι von den Hohenpriestern und Vornehmen zugezogen, weil man sie braucht, indem man ihren in religiösen Dingen allgemein bekannten Einfluß auf das Volk sich zunutze machen will. Daß dieses nur unter dem Zwange der Not geschieht, zeigt der Umstand, daß erst καὶ πολλὰ τῶν τε ἁργιερέων καὶ τῶν γνωρίμων παρακαλούντων μὴ παραλιπεῖν τὸ ὑπὲρ τῶν ἡγεμόνων ἔϑος, οὐκ ἐνέδοσαν (Bell. II 17, 2, 410), bloß die Vornehmen den Versuch machen, die Priester von ihrem Beschlusse abzubringen; und da derselbe mißlang, trat man an die Führer der Pharisäer heran. Soweit wir durch Josephus unterrichtet sind, hat man die Pharisäer bis dahin zu politischen Beratungen nie zugezogen, ausgenommen unter der Königin Alexandra. Der plötzliche Wechsel kann auch aus einer anderen Meldung des Josephus festgestellt werden. Als sich der Krieg gegen die Römer vorbereitet, sucht Josephus — angeblich — die zum Aufstande Treibenden zu beschwichtigen und von der Unsinnigkeit ihres Unternehmens zu überzeugen (Vita 4, 17); er gehört sonach zu den Angesehenen der Stadt. Zu dieser Zeit ist weder in seinem Bellum, noch in seiner Vita von Pharisäern die Rede. Da Josephus wegen seiner erwähnten Gesinnung für sein Leben fürchtet, zieht er sich in das Heiligtum zurück; als aber die Zeloten Fortschritte machen, verläßt er bald den Tempel und schließt sich den Hohenpriestern καὶ τοῖς πρώτοις τῶν Φαρισαίων an (Vita 5, 21). Erst hier tauchen die Führer der Pharisäer auf und sie stehen auch hier neben den Hohenpriestern, die ihre Unterstützung gegen die Zeloten dringend brauchten, da sich deren Haß in erster Reihe gegen sie gewendet hatte. Und als es sich um die Absetzung des Josephus


beth-din in Jerusalem, das zu der Zeit, auf welche die talmudischen Nachrichten sich beziehen, pharisäisch war. Es hing demnach nicht von der Zusammensetzung des aristokratischen Synedrions oder von der jeweiligen Mehrheit in demselben ab, welche der in Judäa bestehenden Richtungen im Tempel und in der öffentlichen religiösen Praxis im allgemeinen die herrschende wurde; sondern einzig und allein von dem auf dem Tempelberge amtierenden beth-din, dessen Mitglied zu werden auch nichtaristokratischen Männern leicht möglich gewesen zu sein scheint. Wenn Josephus in Antiquit, XVIII 1, 3, 15 sagt: »Die Pharisäer haben den größten Einfluß auf die Gemeinde, so daß alle gottesdienstlichen Handlungen, Gebete und Opfer nach ihren Anordnungen geschehen«; und er ferner meldet (XVIII, 1, 4, 17): »Auch die Sadducäer halten sich in ihrem amtlichen Wirken an die Forderungen der Pharisäer, weil sie anderenfalls die Menge nicht ertragen würde,« so könnte in beiden Fällen nicht nur der moralische Einfluß der im Volke lebenden und als Lehrer wirkenden Pharisäer gemeint sein, sondern auch ihre bereits weitreichende Stärke im beth-din, das allein in den von Josephus namentlich angeführten Fragen der gottesdienstlichen Handlungen, der Gebete und Opfer, sowie des amtlichen Wirkens der Priester, wie wir erkannt haben, zu entscheiden hatte und maßgebend war. Waren auch die Pharisäer noch nicht tatsächlich im Besitze der Herrschaft im beth-din, so reichte ihr Gewicht in demselben aus, um, wie den Hohenpriester Ismael, Sohn Fiabis, auch andere Würdenträger des Tempels zur Ausführung der pharisäischen Lehrmeinung zu bestimmen. Denn die Worte des Josephus zeigen ganz deutlich, daß die Würden und zwar offenbar die Tempelämter sich im Besitze der Sadducäer befinden und diese in der Ausübung derselben nur Rücksicht auf die vom Volke gutgeheißenen und angenommenen pharisäischen Anschauungen nehmen (vgl. Wellhausen, Pharisäer 45), wenn sie auch noch niccht dazu gezwungen werden können. Und auch in Tos. Joma
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als Feldherrn von Galiläa handelte, tritt neben Simon, Sohn Gamaliels, noch eine Anzahl von Männern aus dem Kreise der Pharisäer auf, deren man sich zur Aufwiegelung des Volkes gegen den verdächtigen Feldherrn bediente (Vita 39, 197). Simon scheint jedoch der einzige gewesen zu sein, den man in den Rath der Hohenpriester aufnahm. Es ist demnach ganz unbegründet, von der Stellung der Pharisäer im politischen Rate zu sprechen.


I 8, wo einem boethusischen Hohenpriester, der das Räucherwerk am Versöhnungstage mit Absicht abweichend von der pharisäischen Lehrmeinung über die Art der Darbringung opferte, sein Vater sagt: »Obwohl wir die Vorschrift in dieser Weise deuten, richten wir uns in der Praxis nicht darnach, sondern wir gehorchen den Worten der Weisen,« sehen wir die Sadducäer im Amte und neben ihnen die Macht der pharisäischen Lehrer, die als חכמים bezeichnet werden. Aber, wie die eben angeführte Äußerung zeigt, sind diese noch nicht die Behörde von entscheidender, auch für den Hohenpriester bindender Bedeutung. Zu dieser sind sie wahrscheinlich erst unter Ismael, Sohn Fiabis, gelangt, behielten aber auch dann ihre Bezeichnung חכמים bei.90
Nach dieser letzten Wahrnehmung ist beim Lesen mehrerer der besprochenen Stellen die sich aufdrängende Annahme zu erwägen, daß das beth-din wohl eine organisierte Behörde gewesen, aber während der Zeit, da es pharisäisch war, nur von den Pharisäern als maßgebend anerkannt wurde; daneben aber die eigentliche, von den führenden Kreisen eingesetzte Be-
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90) Wir finden allerdings die חכמים auch in einem Zusammenhange, der die Annahme zu unterstützen scheint, daß die Weisen und der oberste Gerichtshof identisch sind. In b. Synhedr. 44b, jer. VI 23b 62, Tos. IX 5 wird erzählt, wie ein vom jüdischen Gerichte zum Tode Verurteilter unmittelbar vor der Hinrichtung in seinem Sündenbekenntnisse seine Unschuld nachdrücklichst betonte; וכששמעו חכמים בדבר אמרו, להחזירו אי אפשר שכבר נגזרה גזירה, אלא יהרג ויהא קולר תלוי בצואר עדים als die Weisen davon hörten, weinten sie und sprachen: es ist nicht möglich, den Mann nochmals vor das Gericht zu führen, — wie die Mischna Synhedr. VI 1 es vorschreibt, — da das Endurteil gefällt ist; er erleide den Tod und die Verantwortung falle auf die Zeugen. Dieser Bericht macht in seinem letzten Satze den Eindruck, als ob diese Weisen es wären, die den Mann zum Tode verurteilt haben und jetzt angegangen werden, die Verhandlung nochmals aufzunehmen. In Wahrheit aber erhalten sie die Kunde von diesem Vorgange, wie die Darstellung zeigt, erst nach der Hinrichtung und haben nur darüber zu entscheiden, wie in Zukunft in einem ähnlichen Falle vorzugehen sei; sie sind die Ausleger des Gesetzes. Und selbst wenn sie vor der Hinrichtung um ihre Meinung befragt worden sind, folgt nicht, daß sie das Synedrion bildeten, welches das Todesurteil gefällt hatte. Der Fall hat sich zu einer Zeit zugetragen, als die Weisen in der Auslegung des Gesetzes maßgebend waren. Es sei hier noch bemerkt, daß wir entsprechend den ‏זקני ישראל‎ und dem בית דין של ישראל auch חכמי ישראל finden in b. Jebam. 15a, wo wohl vom beth-din in Jabne die Rede ist, aber dieselbe Organisation vorausgesetzt wird, die im letzten Jahrzehnt vor der Tempelzerstörung in Jerusalem bestand: j. Jebam, I 3a 59 hat זקנים.


hörde bestand, die von rechtswegen allein befugt war, in all den erörterten religionsgesetzlichen Fragen zu entscheiden, aber zuweilen unter dem Zwange der Verhältnisse sich dem durch die Anerkennung von Seiten des Volkes mächtig gewordenen beth-din der Pharisäer fügte. Dafür könnte auch auf den Bericht des R. Jose in der Mischna Rosch haSchana II 4 hingewiesen werden: »Es trug sich zu, daß der Arzt Tobia mit seinem Sohne und seinem freigelassenen Sklaven in Jerusalem den Neumond sah. Die Priester nahmen seine Aussage hierüber und die seines Sohnes an, erklärten dagegen die des Freigelassenen für ungiltig; und als die beiden vor das beth-din kamen, nahm dieses das Zeugnis Tobias und seines Freigelassenen an und wies das des Sohnes zurück.« Da werden zwei Körperschaften als gleiehzeitig den Neumond bestimmend vorausgesetzt, die eine ist das beth-din, die andere wird als die Priester bezeichnet. Dürfte man aus dem Umstande, daß die Zeugen erst zu den Priestern sich begeben, schließen, daß diese die höher stehende Behörde bildeten,91 so wäre in der Tat die obige Annahme berechtigt, daß die Priester die höchste Religionsbehörde waren, die das religiöse Leben regelte; dass dagegen das beth-din die Behörde der Pharisäer allein war, die wohl selbständig vorgeht und moralische Macht über die Sadducäer hat, sich jedoch damit begnügen muß, ihre Vorschriften von rechtswegen bloß für die pharisäischen Kreise zu erlassen. Hiernach könnte dann angenommen werden, daß in all den Fällen, wo das beth-din ohne die Quaderkammer als Versammlungsort vorkommt, dieses bescheidenere der Pharisäer gemeint sei, als noch die Sadducäer der Form und dem Namen nach die leitende Behörde bildeten und in der Quaderkammer saßen; die volle Nennung des beth-din als das in der Quaderkammer dagegen die spätere Entwickelung darstelle, als die pharisäischen Lehrer die Quaderkammer bezogen hatten und auch amtlich die Macht verwalteten. Aber diese
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91) Denn die mir mündlich gegebene Erklärung der Stelle von Rektor Sehwarz, daß die Priester die Stadtbehörde bilden, welche die Identität der Zeugen feststellt für den Fall, als man sie in Jerusalem nicht kennt, wie die Mischna Rosch haSchana II 1 vorschreibt, halte ich nicht für richtig. Denn וקבלו הכהנים אותו bedeutet unmißverständlich, daß die Zeugen und ihre Aussage angenommen wurden; und dann ist ja in beiden Fällen das gleiche וקבלו gebraucht und es sollte in einem und demselben Ausspruche zweierlei Bedeutung haben?


scheinbar alle Schwierigkeiten beseitigende Lösung scheitert an der Wahrnehmung, daß nach ausdrücklichen Berichten, welche die Wirklichkeit beschreiben, das beth-din den Hohenpriester im Opferdienste des Versöhnungstages überwacht und den Gang verschiedener Opferhandlungen, wie die des Getreideopfers und der Verbrennung der roten Kuh regelt, hier der Betätigung sadducäischer Lehrmeinungen die Möglichkeit benimmt, ebenso Verfügungen über die Bestreitung von Opfern aus Tempelgeldern trifft. All dieses aber wäre unmöglich, wenn es sich um eine Behörde handelte, die nur für Pharisäer maßgebend gewesen ist oder nur angemaßte Rechte ausgeübt hat. Auch ist es nicht denkbar, daß zwei bloß für ihre Kreise maßgebende Körperschaften gleichzeitig und von einander unabhängig sollten den Neumondstag bestimmt haben; da es immerhin möglich war, daß sie zu verschiedenen Ergebnissen gelangen, während die an den Neumondstag sich knüpfenden Opferfeste doch nur nach der einen gefeiert worden sein können. Es kann somit nur die Behörde im Besitze der Amtsmacht gewesen sein und diese war, wie schon der Name zeigt, das beth-din. Wären es die Priester, wie kommt es, daß sie nur הכהנים heißen und zur Kennzeichnung ihrer Stellung weder die so oft genannte Quaderkammer hinzugefügt ist, noch sie als בית דין של כהנים vorgeführt werden? Ist aber nach den Darlegungen des ganzen Abschnittes das beth-din die einzige rechtmäßig amtierende Behörde, so sind die ohne jeden Amtstitel und ohne Beifügung einer Körperschaft genannten Priester die nicht bloß aus ihrer tatsächlichen Macht, sondern auch aus ihrer formell bekleideten Stellung verdrängten Mitglieder des beth-din; die aber noch an dem Scheine ihres ihnen durch die Priesterwürde zugefallenen Amtes festhalten und, zu einer Körperschaft vereint, Zeugen über das Sichtbarwerden des Neumondes einvernehmen. Sie haben ihren Sitz jetzt an einem Punkte der Stadt, den die Zeugen auf dem Wege zum beth-din berühren müssen; deshalb sagen diese erst vor ihnen aus und begeben sich nachher zum beth-din, das allein befugt ist, den Neumondstag für alle Juden bindend zu bestimmen, das aber, endlich im Besitze der schwer errungenen Macht, sich um das harmlose Vorgehen der Priester nicht kümmert.
Auffallend bleibt es aber doch, daß in allen im letzten Abschnitte behandelten Nachrichten die Urheber der Verfügungen nicht, wie in den früher erörterten Stellen, das große beth-din in der Quaderkammer, sondern nur beth-din heißen. Wohl ergab sich aus dem Charakter der Anordnungen mit voller Sicherheit, daß dieses die höchste Behörde für alles Religionsgesetzliche darstellte und daß es Rechte ausübte, die in den Parallelmeldungen ausdrücklich dem großen beth-din in Jerusalem und dem in der Quaderkammer zuerkannt werden. Aber keine der zahlreichen Stellen mit bloßem בית דין läßt erkennen, daß sich dieses zu der Zeit, als die Pharisäer es beherrschten, in der Quaderkammer oder auch nur auf dem Tempelberge befand. Auch in den Meldungen, wo statt des beth-din die Weisen als die Urheber von Abänderungen im Tempel genannt sind, wie bei der Bestrafung der Priesterabteilung Bilga, der Berufung von Tempelbeamten und der Ausbesserung von Tempelgeräten, kann wohl die Zugehörigkeit der aus den Weisen bestehenden Behörde zum Tempel mit Sicherheit, ja als selbstverständlich angenommen werden; aber für den Sitz und den Versammlungsort derselben ist daraus nichts zu erschließen. Nur die im Midrasch haGadol zu Deut. 14, 23 (Hoffmann in Hildesheimers Jubelschrift, hebr. Teil 7) erhaltene Bemerkung des R. Ismael: ‏מעשר שני שאדם מביא לבות הבחירה, נכנם ללשכת הגזית, רואה חכמים ותלמידיהם יושבין ועוסקין בתלמור תורה, לבו מנדבו לתלמוד תורה‎ setzt die Weisen mit ihren Jüngern in der Quaderkammer sitzend und die Thora studierend voraus, wie sein Schüler, R. Joschia in Mekhilta 3b meldet, daß die Einschaltung eines Monates im großen beth-din in Jerusalem, also gleichfalls in der Quaderkammer erfolgte. Da es jedoch nicht sicher ist, daß die beiden Sätze dieselbe Zeit schildern, wie die Mischna, können sie nicht ohne weiteres mit den Angaben dieser zu einem Bilde vereinigt werden. Das Gleiche gilt von dem Satze: אחר חכמים ללשכת הגזית in der Aufzählung der maßgebenden Lehrhäuser in Israel in der Baraitha b. Synhedr. 32b. Sollten etwa die oben zusammengestellten Verfügungen des beth-din gar nicht in der Quaderkammer erlassen worden, sondern samt den Verhandlungen, deren Ergebnisse sie bilden, in einem anderen, jedenfalls passenderen Gebäude erfolgt sein? Denn die Meldung in Kerith. I 7, daß Simon b. Gamaliel I ‏תג נכנם לבית דין ולימד‎ in das beth-din sich begab und dort die Abänderung des bestehenden Gesetzes erwirkte, zeigt das beth din als die Stätte der Verhandlungen selbst. Das Gleiche meldet R. Jose in dem schon oft genannten Berichte (Tos. Synhedr. VII 1, Zeile 11, b. 88b, jer. I 19c 25) von dem beth-din in der Quaderkammer: sie saßen vom Morgenopfer bis zum Nachmittagsopfer und stimmten über ihnen vorgelegte Fragen ab; an Sabbathen und Festtagen dagegen gingen sie nicht hinein (in die Quaderkammer), sondern in das Lehrhaus auf dem Tempelberge.92 Raum wird wohl in dieser mit einer Basilika verglichenen Kammer des inneren Vorhofes auch für das ganze beth-din als Lehrhaus genug gewesen sein; aber es ist kaum denkbar, daß sie zum Tummelplatze heftiger Debatten hätte gemacht werden dürfen. R. Jose erzählt zwar nur von der Abstimmung über die jeweilig vorgelegte Frage; aber R. Ismael nennt auch Schüler in der Quaderkammer, was auch Erörterungen zwischen den Lehrern voraussetzt. Die noch mögliche Annahme, der Name beth-din in der Quaderkammer sei dem beth-din geblieben, selbst nachdem dieses lange nicht mehr im Vorhofe des Tempels seine Sitzungen abhielt, entbehrt nicht jeder Wahrscheinlichkeit; besonders da uns ganz bestimmte Meldungen von der Übersiedlung dieser Behörde aus der Quaderkammer in die Kaufhallen vorliegen (oben S. 42) und alle Nachrichten, wie auch R. Jose ohne jede zeitliche Einschränkung von dem beth-din in der Quaderkammer sprechen. Wir kommen auf diese Frage nochmals zurück (S. 137); sie kann aber keinesfalls die aus zahlreichen Berichten gewonnene Erkenntnis erschüttern, daß das nicht näher bestimmte beth-din der tannaitischen Meldungen, hauptsächlich das der Mischna sich hinsichtlich seiner Befugnisse mit dem beth-din der Quaderkammer als identisch erweist.
Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß mit diesen Ausführungen der bereits oben, Seite 36 behandelte Bericht des Josephus (Bell. II 17, 2, 409 ff.) im Widerspruche steht, indem nach demselben Eleazar, der Sohn des Hohenpriesters Ananias, als Strategos des Tempels die diensttuende Priester-
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92) Es ist nicht klar, ob die Sitzungen nach dem Morgenopfer begannen und bis zum Beginne des Nachmittagsopfers währten, um den Gang des Opferdienstes nicht zu stören, oder auch gleichzeitig mit den beiden Opfern abgehalten wurden. Fürs Erstere spräche, daß an den Tagen, an denen die Pause zwischen den beiden Pflichtopfern ein Zusatz- oder Festopfer ausfüllte, die Versammlung außerhalb des inneren Tempelvorhofes, allerdings bloß als Lehrversammlung stattfand. In dem Berichte von dem Hergange bei der Verlosung der Dienstgeschäfte im Tempel (Tos. Sukka IV 16,


schaft bestimmte, von Heiden weder Geschenke, noch Opfer für den Tempel mehr anzunehmen. Wir sehen hieraus, daß wohl dem Strategos des Heiligtums, der, wie es scheint, dem oben (Seite 13) kurz berührten ‚ממונה dem Leiter des Opferdienstes entspricht, allein nicht das Recht zustand, eine derartige Maßregel zu verfügen; daß er aber mit der diensttuenden Priesterschaft vereint oder auch diese allein die Befugnis zu solchen einschneidenden Abänderungen hatte. Denn es ist die Annahme nicht zulässig, daß sie sich hier ein Recht angemaßt hätten, das ihnen gar nicht zustand; nachdem die Gegner der Maßregel, die Hohenpriester und die Vornehmen, wohl die Unsinnigkeit und das Unbegründete des Vorgehens nachweisen, aber nicht die Ungesetzlichkeit des Beschlusses berühren. Während wir als die allein hierzu befugte Behörde das beth-din erkannt haben, werden hier bloß die diensttuenden Priester unter Führung des Tempelstrategen als maßgebend vorgeführt. Man könnte zur Behebung des Widerspruches annehmen, die Priester hätten zu ihrem Beschlusse in der Tat die Zustimmung des beth-din erlangt; um so mehr, als dieser sonst schon nach wenigen Tagen hinfällig geworden wäre, da der Dienst jeder Priesterabteilung nur eine Woche dauerte und an Stelle der die Zurückweisung der Opfer beschließenden Priester am Sabbath andere mit vielleicht ganz anderen Ansichten über diese Frage traten. Und in der Tat ist es auch mehr als unwahrscheinlich, daß einem kleinen Bruchteile der diensttuenden Priesterschaft das Recht zugestanden hätte, einen Beschluß zu fassen, der auch für die anderen Teile bindend sein sollte. Wäre dieser bloß von der kleinen Priesterabteilung ausgegangen, die Hohenpriester und die Vornehmen hätten ein Leichtes gehabt, zu betonen, daß die Verfügung überhaupt nicht rechtskräftig sei, keinesfalls aber die schon in wenigen Tagen in den Tempel einziehende neue Abteilung zu Gehorsam verpflichte. Der Beschluß muß von einer Behörde gutgeheißen worden sein, die den Opferdienst ständig leitete und deren Verfügungen für alle diensttuenden Priester bindend waren. Daß Josephus hiervon nichts weiß, scheint bei ihm als Priester, der die Vorgänge im Heilig-
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Joma I 10, siehe oben Note 9) wird nur gemeldet, daß ein Lehrer, der Mitglied des beth-din war, die Verlosung überwachte; daß aber zur selben Zeit das ganze beth-din oder auch nur ein Teil desselben versammelt gewesen wäre, davon steht nichts.


tum hätte genau kennen sollen, auffallend; ist aber bei der auf das ganze Werk des Bellum bezüglichen Wahrnehmung, daß seine Schilderungen nirgends auch nur einige Kenntnis von dem Leben und Treiben im Tempel, in den das religiöse Leben regelnden Behörden, in den Lehrhäusern und Synagogen, und vom religiösen Denken und Fühlen seines Volkes in Jerusalem bekunden, fast selbstverständlich. Wir dürfen daher bei dem Ergebnisse unserer Untersuchungen bleiben, daß über die Annahme oder Zurückweisung von Opfern das beth-din allein entschied.
Was die Geschichte des beth-din betrifft, so haben wir einerseits aus einer Nachricht bei Josephus und einer fast gleichlautenden Toßiftastelle, wie auch aus anderen bestimmten Überlieferungen ersehen, daß im Dienste des Heiligtums noch ein Jahrzehnt vor der Tempelzerstörung die sadducäische Lehrmeinung die herrschende war, wenn auch bei öffentlichen Anlässen auf die pharisäische Auslegung des Gesetzes Rücksicht genommen wurde. Andererseits hat eine durch genaue Einzelheiten sich auszeichnende Nachricht in der Toßifta gelehrt, daß es den Pharisäern gelang, den Hohenpriester Ismael, Sohn Fiabis, bei der Verbrennung einer roten Kuh zur Befolgung der pharisäischen Lehren zu bestimmen. Somit müssen die Meldungen in der Mischna, die uns schildern, wie das pharisäische beth-din den Hohenpriester bei derselben Handlung und am Versöhnungstage überwachte und die Ausführung der sadducäischen Lehrmeinung von vornherein verhinderte, entweder eine ältere Zeit, oder die Jahre beschreiben, nachdem Ismael b. Fiabi nachgegeben. Wir werden bald sehen, daß den Kampf gegen die Sadducäer über die Art der Verbrennung einer roten Kuh der bekannte Lehrer Jochanan b. Zakkai führte, der im letzten Jahrzehnt vor der Tempelzerstörung in Jerusalem gewirkt hat, und daß die Schilderungen der Mischna auf ihn Bezug nehmen, also die Verhältnisse nach Ismael zum Gegenstande haben.93 Wir haben auch gesehen, dal das beth-
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93) Von diesem Wechsel scheint mir auch die Meldung in Middoth V 4 zu sprechen, wonach das große Synedrion in der Quaderkammer — oder nach dem Berichte des R. Jose in Tos. Synhedr. VII 1 das große beth-din in der Quaderkammer — vom Morgen bis zum Abend die Abkunft der Priester, beziehungsweise auch der Leviten untersuchte. Da ein solcher, längere Zeit beanspruchender Vorgang entweder nur bei der Aufnahme neuer Priester-


din an Stelle des einzelnen Priesters getreten ist, woraus tolgt, daß alle seine Mitglieder ursprünglich vornehme Priester waren, wie wir auch im Gegensatze zu dem pharisäischen beth-din ‏הכהנים‎ als Körperschaft fanden. Da nun diese immer sadducäisch gesinnt waren, ist es wahrscheinlich, daß die Lehrer, die sie in ihre Mitte aufnahmen, ihre Gesinnung teilten; und so dürfte dieses beth-din den Opferdienst und den ganzen Tempel nach sadducäischer Lehrmeinung geleitet und das Religionsgesetz in all den Teilen, in denen Sadducäer und Pharisäer verschiedener Ansicht waren, nach den ersten ausgelegt haben. Die Weisen dagegen, die uns in den tannaitischen Berichten als die führende Behörde des Heiligtums geschildert werden, und das beth-din, das sie bildeten, waren ohne Zweifel pharisäisch. Wie sich der tiefgreifende Wechsel vollzog, der diese an die Stelle der Sadducäer und Priester brachte, konnte bisher nur gestreift werden. Der nächste Abschnitt mit seiner Untersuchung über die Häupter des beth-din wird uns einen klareren Einblick in die Umgestaltung des beth-din ermöglichen.
Was die Bezeichnung der Mitglieder betrifft, so heißen diese in Joma I 3 ‏זקנו בית דין in Para III 7 ‚זקני ישראל in der Baraitha b. Kiddusch. 31a ‏חכמי ישראל‎ und mehreremal bloß ‏חכמים.‎ Aus dem früher angeführten Satze des R. Ismael aus der verlorenen Mekhilta zu Deut. 14, 23 (oben Seite 104) haben wir bereits er-
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familien, wie in Ezra 2, 61, oder nach einer großen kriegerischen Bewegung, die begründete Zweifel an der ungetrübten Reinheit und Würdigkeit mancher Priesterfamilie aufkommen läßt, wie nach der Katastrophe unter Antiochos IV Epiphanes (I Makkab. 4, 42) und nach anderen Kriegen (vgl. Contra Apion, I 7, 34) verständlich ist, muß die Nachricht in der Mischna von der Untersuchung der Priesterfamilien mit einem außergewöhnlichen Vorkommnisse zusammenhängen. Da sich aber auch in einem solchen Falle eine Behörde nicht ausschließlich und nicht zu lange Zeit mit der Untersuebung der Familienreinheit befassen kann, muß hier um so eher eine besondere Veranlassung angenommen werden. Da glaube ich nun die Verdrängung des Sadducäertums aus dem Tempel und die Übernahme dieses in pharisäische Verwaltung als die Veranlassung annehmen zu dürfen. Wir haben bereits gesehen, daß dieses unter Ismael b. Fiabi (59—61) vor sich gegangen sein dürfte. Die Veränderung, die innerhalb der levitischen Sänger- und Dienerfamilien unter Agrippa II auf Grund eines vom König veranlaßten Beschlusses der Synedrion genannten Behörde vor sich ging (Antiquit. XX 9, 6, 216, oben Seite 37), zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit, daß der Umschwung in der Leitung des Tempels und die Neuorganisierung der Priester und Leviten zur selben Zeit durchgeführt wurde.


sehen, daß die Weisen mit ihren Schülern in der Quaderkammer gesessen und Thora studiert haben sollen. Da R. Ismael priesterlicher Abkunft war und der Tempelzeit ziemlich nahe stand, gebührt seiner nur gelegentlichen Äußerung über die Lehrer in der Quaderkammer Glauben, so schwierig sie auch scheint. Jedenfalls aber haben wir uns das beth-din des letzten Jahrzehnts als ein pharisäisches Gelehrtenkollegium zu denken, was dasselbe vom Synedrion wesentlich unterschied.94 Die Zahl der Mitglieder geben eine Reihe von Stellen, besonders aber der Bericht des R. Jose in der Baraitha und Toßifta mit 71 an.95 Sehr auffallend ist jedoch die Meldung dieses Lehrers (Tos. und jer. vgl. b. Sota 45a), daß im beth-din in der Quaderkammer, obwohl dieses 71 Mitglieder zählte, nicht weniger als 23 anwesend sein durften und, wenn nicht mehr als 23 im Saale blieben, sich keines entfernen durfte. Hiernach haben zur Beschlußfähigkeit weniger als der dritte Teil der Mitglieder genügt. Diese schon wegen ihrer Sonderbarkeit offenbar auf Tatsachen beruhende Angabe erweckt nicht bloß Zweifel an der Richtigkeit der Zahl von 71 Mitgliedern, sondern zeugt in Verbindung mit der Nachricht desselben R. Jose, daß auf dem Tempelberge zwei andere Behörden von je 23 Mitgliedern bestanden, auch dafür, daß das beth-din in der Quaderkammer selbst eigentlich nur 23 Mitglieder zählte. Zugleich drängt sich die schon von mehreren Forschern geäußerte, aber fälschlich auf das Synedrion bezogene Vermutung auf, daß sich die 71 Mitglieder der Quaderkammer aus der Gesamtzahl der Mitglieder der drei Behörden auf dem Tempelberge zusammen-
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94) Da dieser Tatbestand dem Gesetze in Deut, 17, 9, wo als die Behörde zur Entscheidung in religionsgesetzlichen Fragen die Priester bestimmt werden, nicht entsprach, sahen sich die Lehrer in Sifre Deut. 153 veranlaßt, nachzuweisen, daß diese Vorschrift nicht die einzige Möglichkeit der Zusammensetzung der Behörde enthalte. Sie sagen: ‎אל הכהנים הלוים, מצות בית דין שיהו בו כהנים ולוים. יכול מצוה ואם אין בו יהא פסול, תלמוד לומר ואל השופט. אף על פי שאין בו כהנים ולוים כשר‎ man könnte meinen, das beth-din müsse notwendigerweise Priester und Leviten als Mitglieder haben; aber es entspricht auch ohne solche dem Gesetze.
95) Vgl. noch b. Synhedr, 44a, Baba bathra 121a, Midrasch Lev. rab. 11,7 (Bacher, Agada der Tannaiten II 241, 2): תניא, שלשים וששה ממש, דברי רבי יהודה, אמר לו רבי נחמיה, וכי שלשים וששה היו, והלא לא נאמר אלא בשלשים וששה איש. אלא זה יאיר בן מנשה ששקול כנגד רובה של סנהדרין das gleichfalls für diese Zahl der Mitglieder angeführt werden könnte, da 70 oder 71 im Synedrion vorausgesetzt werden.
Aber es ist möglich, daß R. Nechemia das eigentliche Synedrion meint.


setzten und aus diesem Grunde bei einer Abstimmung des nur durch das Hinzutreten anderer Körperschaften groß gewordenen beth-din im Notfalle dessen eigene Mitgliederzahl entscheiden konnte.96 Die weitere Angabe im Berichte des R. Jose, daß die Mitglieder aus den Behörden auf dem Lande nach Jerusalem berufen wurden (Tos. Synhedr. VII 1, 16, 108 Schekal. III 27, Midr. Numeri rab. 6, 4, b. Synhedr. 88b), kann gleichfalls auf Tatsachen beruhen, da z. B. R. Jochanan b. Zakkai aus 'Arab in Galiläa und wahrscheinlich andere aus Landstädten stammende Lehrer aus anderen Gegenden nach der Hauptstadt kamen (vgl. z. B. Jochanan aus dem Chauran in Tos. Sukka II 8) und dort Mitglieder des beth-din wurden. Was die Schüler im beth-din betrifft, so spricht von denselben scheinbar auch R. Jose, der im Zusammenhange mit dem beth-din in der
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96) Die Zahl 71 im großen Synedrion wird in der Mischna Synhedr. I 6 durch Num. 11, 16 begründet: Versammle mir 70 von den Ältesten Israels; und Moses trat als der 71. hinzu. R. Jehuda sagte: mit diesem waren es 70 (vgl. Tos. Synhedr. III 9). Die Nebeneinanderstellung des großen und des kleinen aus 23 Mitgliedern bestehenden Synedrions macht zwar den Eindruck, daß vom eigentlichen Synedrion die Rede ist. Aber in diesem Falle ist der Hinweis auf Numeri 11, 16 nicht klar, da es sich trotz der Bemerkung des Sifre Numeri. 92 zur Stelle: שבעים איש, שתהא und אספה לי, שתהא סנהדרין לשמי סנהדרים של שבעים, bei diesen 70 Männern nicht um die Zusammensetzung eines obersten Gerichtshofes handelt, nachdem ja Richter in großer Zahl bereits in Exod. 18 (vgl. Deut. 1, 15ff.) ernannt worden waren, jede schwierige Angelegenheit aber von Moses selbst erledigt wurde. Bei einer Entscheidung in religionsgesetzlichen oder grundsätzlichen Fragen, wie die über die Beteiligung der an Leichnamen Verunreinigten am Passah zu Numeri 9, 6: ויקרבו לפני משה ולפני אהרן, sehen wir in Sifre Numeri 68 folgende Erörterung: sie fragten Moses, der keinen Bescheid wußte, und da sollten sie sich nachher an Aaron gewendet haben? R. Eliezer sagte: beide saßen im Lehrhause und da richteten jene Männer die Frage an sie. Von den gleichen Worten ist die Vorführung des Mannes begleitet, der nach Numeri 15, 33 durch Holzauflesen den Sabbath entweiht hatte und bei dem die Behörde אל משה ואל אהרן ואל כל העדה, aus Moses, Aaron und der ganzen עדה besteht und von R. Eliezer als ‏ביות המדרש‎ erklärt wird. Ebenso zu Numeri 27, 2 bei der Frage über das Erbrecht der Töchter Schelafchads: ותעמודנה לפני משה ולפני אלעזר הכהן ולפני הנשיאים והעדה פתה אהל מועד, wo an der Versammlung außer den Genannten auch die Fürsten teilnahmen, sagt R. Eliezer, es sei das Lehrhaus gemeint, trotzdem hier als Versamımlungsort der Eingang des Offenbarungszeltes angegeben wird. Er hat offenbar das beth-din im Eingange des inneren Tempelvorhofes im Auge, das er noch gesehen haben dürfte und das in seinem Lehrhause die ihm vorgelegten Fragen erörterte. Er überträgt die Verhältnisse aus Jerusalem auf die biblische Zeit. Vgl. noch 'Erubin 54b in Note 141.


Quaderkämmer erzählt, daß die auf dem Mehrheitsprinzipe beruhende Einheit der Meinungen in religionsgesetzlichen Fragen gelockert wurde, seitdem die Schüler Sammais und Hillels sich vermehrten; diese studierten nämlich nicht genug und infolgedessen nahmen die Meinungsverschiedenheiten zu und es entstanden zweierlei Gesetze. Aber es sind hiermit nicht die Jünger im beth-din gemeint, sondern Lehrer, die als Mitglieder an den Beratungen und an der Abstimmung teilnahmen. Ebensowenig ist die Angabe in der Mischna Synhedr, IV 3. 4: ‚Das Synedrion saß im Halbkreise.... und drei Reihen von תלמידי חכמים saßen vor ihnen auf ständigen Plätzen, aus welchen man im Bedarfsfalle der Reihe nach das Synedrion ergänzt,‘ die von der Anwesenheit von Lehrern außer den Mitgliedern der Behörde spricht, auf Jünger im beth-din zu beziehen. Denn die ganze Stelle handelt, wie der Zusammenhang lehrt und z. B. auch Maimonides (ד I הלכות סנהדרין) erklärt, von jedem 23gliedrigen Strafgerichtshofe, der sonst als kleines Synedrion bezeichnet wird. Da zu jedem Urteile die Vollzahl der Mitglieder erforderlich war, sollte zu jeder Zeit eine Ergänzung möglich sein; es sind zu diesem Behufe nicht Jünger, sondern reife Lehrer anwesend. In Synhedr. V 4 lesen wir allerdings: wenn einer von den תלמידים sagt, er habe etwas zu gunsten des Angeklagten zu sagen, so setzt man ihn in die Reihe der Richter und er behält diesen Ehrenplatz während des ganzen Tages (vgl. Tos. Synhedr. VIII 2). Aber auch hier sind die תלמידים die früher als תלמידי חכמים bezeichneten Lehrer. Und dann kann sich dieses nicht auf das große Synedrion beziehen, da sich im ganzen Mischnatraktate Synhedrin weder von der Einrichtung des großen Synedrions, noch von der der großen Behörde in der Quaderkammer etwas findet. Übrigens ist hier von einem Strafgerichtshofe, nicht von unserem beth-din die Rede.
Für die oben ausgesprochene und begründete Vermutung, daß das beth-din die rechtmäßig wirkende oberste Behörde war, die Priester aber, die gleichzeitig mit demselben die gleichen Angelegenheiten behandelten, die aus ihrer Stellung verdrängten Führer derselben Körperschaft waren, die aber ihre völlig aufgehobene Macht trotzdem nicht aufgeben wollten, sind anhangsweise auch die talmudischen Nachrichten über einen ganz eigenartigen Zivilgerichtshof in Jerusalem vorzuführen. In b. Kethub. 105a lesen wir: Rab Jehuda im Namen Rab Assis erzählt: ‏גוזרי גזירות בירושלים‎ bekamen aus der Hebe der Schekel in der Tempelkammer 90 Minen gezahlt; wenn es ihnen zu wenig ist, gibt man ihnen noch mehr. In jer. Schekal. IV 48a 24 sagt Giddul b. Benjamin im Namen des R. Assi: die beiden Richter der גזירות bekamen aus der Hebe der Tempelkammer gezahlt. In beiden von einander nur wenig abweichenden, aber ohne Zweifel vom selben Gegenstande handelnden Berichten desselben Amoräers wird von (zwei) Richtern in Jerusalem erzählt, daß sie ihre Bezahlung aus der Tempelkasse erhielten. Die an beiden Stellen (jer. Schekal. IV 47a, b. Kethub. 106a) sich findende Aufzählung all der Personen, die ihre Besoldung aus derselben Quelle bezogen, und der Gegenstände, die aus dieser bestritten wurden, weist mit Sicherheit darauf hin, daß nur solche Gegenstände aus Tempelgeldern bezahlt wurden, die zu dem die ganze Israelitenheit betreffenden Tempelkult erforderlich waren; und daß nur jene Personen aus denselben entlohnt wurden, die den Tempeldienst durch Anfertigung von Materialien und durch sonstige Dienste unmittelbar förderten; schließlich Lehrer, die im Vorhofe des Heiligtums die Priester in den Einzelheiten der Opferdiensthandlungen unterwiesen und für Andere auf Grund des im inneren Vorhofe befindlichen Mustereodex Thoraabschriften korrigierten. Hieraus ergibt sich, daß die genannten Richter zum mindesten von derselben Behörde bestellt wurden, welche den ganzen Tempel leitete und dessen Beamte ernannte, und daß sie wahrscheinlich auf dem Tempelberge wirkten.97 In der Mischna Kethub. XIII 1 heißt es von diesen Richtern: שני דייני גזירות היו בירושלים. אדמון וחנן בן אבישלום. חנן אמר שני דברים, אדמון אמר שבעה. מי שהלך למדינת הים ואשתו תובעת מזונות, חנן אמר, תשבע בסוף ולא תשבע בתחלה, נחלקו עליו בני כהנים גדולים ואמרו, תשבע בתחלה ובסוף, אמר רבי דוסא בן הרכינם כדבריהם, אמר רבן יוחנן בן זכאי, יפה אמר חנן, לא
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97) Die Bemerkung, es sei ihr Gehalt zu erhöhen, falls sie ihr Amt nicht bekleiden wollten, erinnert an den Bericht in b. Joma 38a und den Parallelstellen, wonach die Bäcker der Schaubrote und die Anfertiger des Räucherwerkes im Tempel ihr Amt niederlegten und erst nach Verdoppelung ihres Gehaltes durch die Weisen ins Amt zurückkehrten. Es scheint mir dieses dafür zu sprechen, daß im Heiligtum irgend ein Wechsel vor sich ging, der den freiwilligen Verzicht verschiedener Würdenträger und Beamter des Tempels zur Folge hatte (Seite 93). Auch diese Richter mögen dieselbe Absicht geäußert haben und die maßgebenden Personen waren zur Erhöhung des Gehaltes bereit, offenbar weil noch keine geeigneten Ersatzmänner vorhanden waren.


תשבע אלא בסוף, מי שהלך למדינת הים ועמד אחד ופרנס את אשתו, חנן אמר, איבר את מעותיו, נחלקו עליו בני כהנים גדולים ואמרו, ישבע כמה הוציא ויטול. אמר רבי דוסא בן הרכינס כדבריהם, אמר רבן יוחנן בן זמאי, יפה אמר חנן, הניח מעותיו על קרן הצבי
Dem einen der beiden Richter, Chanan b. Abischalom widersprechen in den zwei angeführten Entscheidungen die Söhne von Hohenpriestern, die, wie die Bezeichnung lehrt, eine Behörde gebildet zu haben scheinen und dieselben Befugnisse wie die Richter hatten, oder mit diesen in einer Körperschaft saßen. Es ist, wie schon erwähnt, dieselbe Erscheinung, wie bei der Neumondsbestimmung durch das beth-din und durch die Priester gleichzeitig, aber in zwei gesonderten Körperschaften, indem die im Amte Befindlichen die Richter, die in der Minderheit oder ganz ohne amtliche Befugnisse die Priester sind. Die Bezeichnung גוזרי גזירות ist schon oft, aber noch immer nicht befriedigend erklärt worden, da die von diesen Richtern erhaltenen Entscheidungen bürgerrechtlicher Natur sind und kein bezeichnendes Merkmal aufweisen, das ermöglichen würde, die Befugnisse und die Stellung ihrer Urheber zu bestimmen. Selbst die Zahl der Richter ist in den wenigen Nachrichten verschieden angegeben. Die Mischna und der Amoräer R. Assi nennen, wie wir gesehen haben, zwei; eine Baraitha in b. Kethub. 105a: שלשה דייני גזירות היו בירושלים, אדמון בן גדאי וחנן המצרי וחנן בן אבישלום,‎ und eine andere Baraitha daselbst und in jer. Kethub. XIII 35a 65: שלשה דייני גזירות היו בירושלים, אדמון וחנן ונחום , .. . תניא, רבי נתן אומר, אף נחום המדי מגוזרי גזירות שבירושלים היה, ולא הורו לו חכמים geben drei; R. Jose, der uns als gut unterrichteter Kenner der letzten Tempelzeit als Gewährsmann gedient hat, spricht leider nur allgemein ‏גוזרי גזירות שבירושלים‎ ohne Zahl. Die Nennung eines dritten Richters bedingt keineswegs ein dreigliedriges Richterkollegium, da nach der Mischna Einzelrichter gemeint zu sein scheinen; dafür spricht auch die wiederkehrende Angabe über zwei Richter, während sonst bei israelitischen Gerichten zwei nicht üblich scheinen. Der dritte könnte der Vorgänger oder Nachfolger eines der beiden genannten sein.98 Die Beziehungen der-
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98) In‎ der Mischna Kethub. I 5 lesen wir von einem ‏בית דין של כהנים,‎ daß es in die Kethuba der Priestertöchter doppelt so hohe Beträge aufnehmen ließ, wie sie sonst bei den Töchtern von Laien fester Brauch waren, ohne daß die Weisen es daran gehindert hätten (vgl. Grätz in seiner Monatsschrift XXXVI 1887, 114 ff.). Der letzte Satz der Meldung läßt erkennen, daß zu der Zeit, auf die sich die Nachricht bezieht, die Weisen am Ruder waren.


selben zum beth-din, das sie bestellt haben dürfte, können wegen Mangels an jeder Nachricht auch nicht vermutet werden.99 Dagegen ist von den Gegnern dieser Richter, den בני פהנים גדולים zu bemerken, daß sie als Körperschaft fortzubestehen scheinen, trotzdem die Pharisäer ans Ruder, nämlich in das früher aus Priestern zusammengesetzte beth-din gelangt sind. Sie lösen sich als Behörde nicht auf, wie vermutet werden kann, in der Erwartung, daß das nunmehr pharisäische beth-din, das nur durch außergewöhnliche, ihm nur zufällig günstige Umstände diese Gestalt angenommen hat, sich nicht lange behaupten und wieder den erbgesessenen Priestern Platz machen werde; wofür, wie die folgende Untersuchung zeigen wird, ermutigende Erfahrungen aus naher Vergangenheit vorlagen. Wie dem aber auch sei, das Ergebnis, daß das große beth-din das ganze religiöse Leben, wie es sich im Opferkult und in der öffentlichen Betätigung des Gesetzes und auch im Handeln des Einzelnen bekundete, von Amtswegen regelte und nicht mit dem Synedrion identisch ist, bleibt aufrecht.


II. Der Vorsitzende des großen beth-din in Jerusalem.

Die Prüfung der talmudischen und außertalmudischen Nachrichten über den Versammlungsort und die Verfügungen der Behörde in der Quaderkammer hat zu der Erkenntnis geführt, daß das große beth-din mit dem Synedrion des Jose-
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Doch ist hier nicht von einer hohen Priesterbehörde in Jerusalem die Rede, welche sich die Priester für die Durchführung des Religionsgesetzes nach ihrer Lehrmeinung schufen, sondern von kleinen, aus drei Mitgliedern bestehenden Kollegien für bürgerrechtliche Angelegenheiten ohne irgendwelche öffentliche Befugnisse.
99) Die Institution selbst ist gewiß älter, als die Zeit, welcher die hier mit Namen aufgezählten Richter angehören. Da anzunehmen ist, daß diese nicht gar zu jung, sondern erst im reiferen Alter ins Amt gelangten, Nachum, der Meder aber noch im Jahre 70, unmittelbar nach der Zerstörung des Tempels Entscheidungen abgibt (Nazir V 4: Nachum, der Meder, beging den Irrtum in dieser Frage; als nämlich Naziräer aus dem Auslande nach Jerusalem kamen und das Heiligtum zerstört fanden, fragte sie Nachum, ob sie sich das Gelübde auferlegt hätten, wenn sie die Zerstörung des Heiligtums vorausgesehen hätten. Als sie dieses verneinten, entband er sie ihres Gelübdes), so behandeln diese Nachrichten bloß die letzten Jahrzehnte dieser Behörde; die frühere Zeit hatte für die Tannaiten kein Interesse.