חבקוק ג - Habakuk Kapitel 3

Kap. 3, V. 1. Gebet des Propheten Habakuk wegen der Irrtümer.

Kap. 3. V. 1. Kap. 2 enthielt die Antwort, die Habakuk auf seine Frage erhalten hatte, weshalb denn Gott den Sieg des Unrechts und der Gewalt zulasse, dadurch müsse ja das Rechtsbewußtsein der Menschen getrübt und der Glaube an die göttliche Weltregierung erschüttert werden. Darauf war ihm die Antwort geworden, daß die endliche Erreichung des von Anfang an für die Menschheit bestimmten Zieles absolut feststehe, auch wenn ihm die einzelnen Phasen des Weges zu ihm nicht enthüllt würden und der Fortschritt oft dem kurzsichtigen Menschenauge in den einzelnen Zeitabschnitten nicht erkennbar sei. Auch werde der zeitweilige Sieg des Unrechts nicht im Stande sein, das Bewußtsein der Menschen zu trüben, denn das Geschick aller der auf Unrecht gegründeten Reiche werde die göttliche Gerechtigkeit ins hellste Licht stellen. Daß Gottes Langmut aber dem frevelhaften Beginnen so lange zusehe, das folge aus dem Wesen der menschlichen Freiheit, da nur auf dem Wege der Selbsterfahrung die Menschen zu der endlichen Erkenntnis der Richtigkeit aller von ihnen vergötterten Faktoren und zur Anerkennung Gottes gelangen könnten. —

In diesem dritten Kapitel erfolgt nun die geistige Verarbeitung der empfangenen Belehrung ‏תפלה.‎ »Selbstbeurteilung«, »Sich durchdringen mit der göttlichen Wahr- heit«, »Sich vor Gott zurechtfinden wegen der Irrtümer« — so lautet die Überschrift dieses Kapitels. Weinn wir auch ‏תפלה‎ in herkömmlicher Weise mit »Gebet« übersetzt haben, so zeigt sich doch gerade in diesem Kapitel, das keine einzige Bitte, sondern nur eine Selbstaussprache enthält, daß sich diese Begriffe durchaus nicht mmer decken. Denn auch die Worte: ‏ברגז רחם תזכור‎ (V. 23) enthalten keine »Bitte um Erbarmen im Gerichte«, sondern verkünden die Thatsache dieses Erbarmens als einen Ausspruch tiefster Überzeugung. Wir verweisen des Näheren auf die Ausführungen zu Gen. 20, 7. ‏שגינות‎ »Irrtümer«, als solche hat er nunmehr seine Befürchtungen, sowie die Meinung erkannt, daß die Zulassung des zeitweiligen Sieges des Unrechts einen Gegensatz zur Gerechtigkeit der göttlichen Weltregierung darstelle.



2. O Gott! Als ich deine Kunde vernahm, da fürchtete ich. Gott! Dein Werk — im Kreislaufe von Jahren lasse es Leben gewinnen, im Kreislaufe von Jahren wirst du es erkennen lassen — Im Zürnen bist du des Erbarmens eingedenk!

V. 2. »Ich hatte deine Kunde vernommen« — von dem Schalten des machttrunkenen welterobernden Babylon — »da fürchtete ich« —, s. oben. Jetzt aber weiß ich es, du selbst, 'ה der Allliebende, hast mir’s verkündet: ‏,פעלך‎ dein Werk, das große Werk der Erziehung der Menschheit, das mit der Erschaffung des Menschen begann und erst mit der allgemeinen Gotteshuldigung in Gesinnung und That sein Ziel erreicht, ganzer Perioden von Zeitläufen bedarf es zu seiner Verwirklichung, wörtlich: um Leben zu gewinnen, und im Kreislaufe der Jahre erst wirst du die Menschen es erkennen, begreifen lassen. Es spricht sich hier jener tiefe Seelenfrieden, die freudige Verzichtleistung auf nähere Erkenntnis der einzelnen Phasen des Gottesweges, und jenes unbedingte Vertrauen aus, zu dem oben 2, 3 unter den Hinweis: ויפח לקץ mit den Worten חכה לו und צדיק באמונתו יחיה ‎aufgefordert worden war. בקרב שנים: ‎im Aneinanderschlusse, d. i. im Laufe der Jahre, im Gegensatz zu der‏ ‎Plötzlichkeit des Eintritts eines Ereignisses oder der Erreichung eines Zieles. שנים hier im weitesten Sinne von den sich wiederholenden (שנה) ‏ ‎Zeitläufen. חייהו ist nicht ‎Aufforderung und Bitte, denn deren bedarf es nicht angesichts der Verheißung, sondern vielmehr der Imper. des Zulassens, der freudigen Zustimmung: magst du es auch ‎immerhin erst in angemessenen Zeiträumen Leben gewinnen lassen. Zur Gewinnung der ‎Überzeugung aber bedarf es keines Verlaufes ungemessener Zeiträume, das Bewußt‎sein beseelt mich schon jetzt: dass »du im Zürnen stets des Vatererbarmens gedenkest«. Dein Zürnen selbst ist eine Bekundung der Liebe, als 'ה ist ja Gott hier geschaut, ‎dein Zorn trifft nur dasjenige, das sich der Verwirklichung deines großen Liebewerkes feindlich entgegenstellt. Auf die Vollendung dieses Werkes blicken die folgenden beiden Verse hin und auf den Weg zu diesem Ziele die Verse 5-15.



3. Gott wird von Theman kommen, der Heilige vom Gebirge Paran, dann hat seine Majestät die Himmel bedeckt, und sein Thatenlob erfüllt die Erde.

‎V. 3 ‏אלוה מתימן יבוא‎. Dieser Vers bildet offenbar die Parallele zu ‏ה' מסיני בא‎ Deut. 33, 2, das sich auf die Offenbarung am Sinai bezieht, und das Futurum ‏יבוא‎ hier steht in entschieden betontem Gegensatz zu dem dortigen Präteritum ‏.כא‎ ‎בא, von Gott gebraucht, bezeichnet stets sein Eintreten in den irdischen Kreis. Was mit der Offenbarung am Sinai begonnen, dessen Verwirklichung gehört noch der Zukunft an. Nicht der Vergangenheit gehört das Gotteswort und das Gotteswerk, vielmehr die Zukunft gehört diesem Worte und diesem Werke. Wenn die Offenbarung am Sinai den Eintritt Gottes in Israel bezeichnete, so wird hier auf den Eintritt Gottes in die Gesamtmenschheit hingeblickt: »Gott wird von Theman kommen.« — Freilich Vorbedingung dazu ist die sittliche Erhebung der Menschheit, denn es ist »der Heilige« d. i. der von den Menschen Selbstheiligung Fordernde, der einziehen will in ihren Kreis. — ‏:כסה שמים הודו‎ für die wiedergewonnene Menschheit ist die ganze Schöpfung die Offenbarung seiner Herrlichkeit geworden, aus der Herrlichkeit des Werkes ahnt sie die noch größere Herrlichkeit des Meisters, und deshalb »erfüllt sein Thatenlob die ganze Erde.«



4. Und der Schimmer wird dann wie das weltdurchstrahlende Licht, die Strahlenkraft wird ihm von Seiner Hand; und dort ist die Hülle seiner Siegesmacht!

‎V. 4. ונגה וגו'‏.‎ In der Gegenüberstellung mit ‏אור‎ ist ‏נגה‎ Schein, Glanz, Schimmer. Was jetzt nur ein schwacher Schimmer ist, die Gotteserkenntnis, die jetzt nur als stilles Sehnen in der Menschen Herzen lebt, wird dann zum hellen Sonnentage, was jetzt nur ein schwacher Schein, wird zum weltdurchstrahlenden Lichtewerden '‏קרנים וגו:‎ diese siegreiche Strahlenkraft — ‏קרן‎ strahlen, ‏קרן‎ Horn, zugleich Symbol der Kraft ‏—‎ wird diesem »Schimmer« von Seiner, von. Gottes Hand verliehen, ‏:רשם‎ und »dort«, darin, in diesem Siege der Wahrheit über den Wahn, des Lichtes über das Dunkel, des Göttlichen im Menschen über die jochende Macht der Leidenschaften, in diesem sich im Gange der Ereignisse vollziehenden Siege liegt: ‏עזו‎ הביון, die Hülle der siegenden Gottesallmacht. Dass ‏ה‎ des Kethib bezeichnet den Schein der Schwäche.



5. Vor ihm schreitet die Pest, und der Brand zieht aus in seinem Gefolge

V. 5. '‏.לפניו ילך דבר וגו‎ Alles, auch das Verderbenbringende, steht in seinem Dienste und hat nichts als die Herbeiführung dieses Sieges zum Zwecke. Selbst die Pest geht vor ihm her und seinem Gebote folgt die Flamme, der Brand. Dem Brande der Zeiten verfällt nur, was den Sieg des Lichtes hemmt.



6. Wenn er stille steht und seinen Maßstab an die Erde legt; wenn er’s ersieht und Völker auflöst, und Berge zerstieben, die ewig fest, und Hügel einsinken, die ewig hoch schienen: so sind die Gänge der Zeiten — Sein!

V. 6. '‏.עמד וימדד ארץ וגו Jeder von Gott gefügten Zerstörung geht eine Prüfung voran. Wenn »Berge der Ewigkeit zerstieben«, Reiche auseinander fallen, die für die Ewigkeit gegründet, »Hügel plötzlich einsinken, die ewig hoch« schienen, so ist es, weil er zuvor den Maßstab seines Rechtes und seiner Liebe an diese Reiche gelegt, und sie diese Prüfung nicht bestanden, sich vielmehr als Hemmnisse für die Erreichung der gottgewollten Ziele herausgestellt hatten. »Berge und Hügel« sind das Bild für große und kleine Reiche.
,הליכות עולם לו
‎so sind die Gänge der Zeiten: Gottes. Unser Auge erblickt‏ ‎freilich nur den natürlichen Pragmatismus der wirkenden Ursachen, und schreibt den‏ ‎Sieg des einen und das Unterliegen des anderen der überlegenen Diplomatie, Strategie und Kriegstüchtigkeit des Siegers zu: alle diese materiellen Momente aber werden‏ ‎gestaltet, benutzt und gelenkt von dem unsichtbaren allliebenden Vater der Menschheit,‏ ‎dem alleinigen Lenker der Geschichte. Denn nicht die dem Auge des Geschichtsforschers‏ ‎sich darbietenden physischen, sondern ethische Momente sind im tiefsten Grunde aus ‎schlaggebend für die Gestaltung der Geschichte.‏
הליכות
‎von der Kalform abgeleitet, nicht : die Führungern sondern: die »Gänge«,‏ ‎die scheinbar selbständigen, sind in Wahrheit: לו, werden von Ihm gelenkt. Und zwar ‏ ‏ הליכות עולם ‎die Gänge der Ewigkeit, die von der »verhüllten«, ‏ עלםfernen Vergangenheit bis in die »verhüllte« ferne Zukunft führen, also: die Gänge der Zeiten sind Gottes.