V. 9. Einem Rosse am Gespanne Pharaos vergleiche ich dich, meine Freundin

V. 9.  Einem Rosse am Gespanne Pharaos vergleiche ich dich, meine Freundin.
R. Papus lehrte mit Anknüpfung an Hi. 23, 13: Gegen den, der einzig und allein alle Weltbewohner richtet, der da sprach und die Welt ward, lässt sich nicht ein Einwand erheben. Damit hast du genug gesagt, Papus, sprach R. Akiba zu ihm, weil alles in der Wahrheit, im Rechte begründet ist, wie es Jes. 6, 1 heißt: „Er sitzt auf einem hohen und erhabnen Thron“ d. i. der Thron, welcher nach R. Simon zwischen Tod und Leben scheidet, „und alle Himmelsscharen stehen zu seiner Rechten und Linken.“ Gibt es denn oben eine Linke, ist nicht alles zur Rechten (s. Ex. 15, 6)? Es sind damit die Geister gemeint, von denen die zur Rechten für: nicht schuldig! und die zur Linken für: schuldig stimmen.
R. Jochanan führte im Namen des R. Acha Daniel 10, 1 als Beweis an, wo gleichsam gesagt ist: Wahrheit ist das Wort (tma rbdh), wenn es ein großer Ausspruch geworden ist, wie Jerem. 10, 10 geschrieben steht: „Der Ewige ist ein Gott der Wahrheit.“ Was ist Wahrheit? R. Ibun sagt: dass er ein lebendiger Gott, ein ewiger König ist. Überall, wo (yyy) steht: „Und der Ewige“, ist, bemerkte R. Eleasar, ist Gott und sein Gerichtshof gemeint. Als Hauptbeweis dafür kann 1 Reg. 22, 23 und Jerem. 11, 17 gelten. Wie wendet aber R. Eleasar den von Papus angeführten Vers aus Hiob an? Auf diese Weise: Er allein und kein Geschöpf mit ihm untersiegelt für alle Weltbewohner. Welches ist Gottes Siegel? R. Bibi im Namen des R. Ruben sagte: Die Wahrheit s. Dan. 10, 21: „Doch will ich dir berichten, was verzeichnet ist im Buche der Wahrheit.“ Wenn es Wahrheit (tma) ist, wozu dann noch „verzeichnet (,vsr)“, und wenn es „verzeichnet“ ist, warum noch der Ausdruck „Wahrheit?“ Allein das Urteil ist erst dann Wahrheit, wenn es untersiegelt ist. R. Lakisch sagte: Das Wort tma ist darum aus dem ersten (a), mittelsten (m) und letzten Buchstaben (t) des Alphabets zusammengesetzt, um damit anzudeuten: „Ich bin der Erste, ich bin der Letzte und außer mir ist kein Gott“ s. Jes. 44, 6; ich bin der Erste, weil ich meine Herrschaft nicht von einem andern in der Welt empfangen habe, und ich bin der Letzte, weil ich sie auch nicht auf einen andern übertrage, und außer mir ist kein Gott, weil ich sie nicht mit einem zweiten teile.
Papus hielt ferner einen Vortrag über Gen. 3, 22 in der Weise: Nun ist Adam wie der Einzige der Welt (,lvi ls vdyxyk) geworden! Halt ein,  Papus! rief ihm R. Akiba zu, und jener fragte ihn: Wie verstehst du die Worte? Er ist wie einer der Dienstengel geworden. Die Weisen stimmen weder jenem noch diesem bei, es soll vielmehr mit den angeführten Schriftworten, gelehrt werden, dass Gott dem Adam zwei Wege eröffnete, den Weg des Lebens und den Weg des Todes, und er wählte sich den Weg des Todes und ließ den Weg des Lebens bei Seite.
Ferner hielt R. Papus einen Vortrag über Ps. 106, 20: „Und sie vertauschten ihre Ehre mit dem Bildnis eines Ochsen, der Gras frisst.“ Wozu der Zusatz: „Der Gras frisst“? Weil ich sonst unter dem Ochsen einen von den oberen (heiligen) Tieren (]lim ls rvsb) verstehen könnte. Genug, Papus! rief ihm R. Akiba zu. Wie begründest du jenen Vers? entgegnete Papus. Ohne jenen Zusatz würde ich einen ganz gewöhnlichen Ochsen verstehen. Darum folgt die nähere Bezeichnung: „Der Gras frisst.“ Es ist nichts hässlicher und widriger, als einen Ochsen in der Stunde, wo er Gras frisst. Die Bilderschriftkenner Ägyptens, sagte R. Judan im Namen des R. Acha, trieben Zauberkünste mit ihm, dass er vor ihnen zu erbeben schien vergl. Jerem. 49, 24, wo das Wort uur steht.
Ferner hielt R. Papus einen Vortrag über den obigen Vers des Hohenliedes, welchen er, weil er das Wort ytccl ohne v las, dahin erklärte: Gott spricht: Sowie ich mich über den Untergang der Ägypter gefreut habe, so freue ich mich auch über den Untergang der Feinde Israels. Und wer verursachte, dass sie gerettet wurden „aus ihrer Rechten und aus ihrer Linken?“ (Aus ihrer Rechten) wegen der Thora, die sie einst aus der Rechten Gottes empfangen sollten s. Deut. 33, 2: „Zu seiner Rechten Feuer, ihnen zum Gesetz.“ Und aus ihrer Linken wegen der Mesusa (die sie zu ihrer Linken haben werden). Oder: Aus ihrer Rechten d. i. das Keriath Schema s. Deut. 6, 4 und aus ihrer Linken d. i. das Gebet. Genug, mit deiner Deutung, Papus! rief ihm R. Akiba zu, an jener Stelle steht das Wort hsys mit s geschrieben, hier aber mit c. Was verstehst du unter dem Worte: „Der Stute am Wagen Pharaos?“ Pharao fuhr (zuerst) auf einem Hengste, und Gott, wenn man es sagen könnte, zeigte sich über ihm auf einem Hengste s. Ps. 18, 11. Da dachte Pharao: der Hengst tötet im Krieg seinen Herrn, ich will lieber eine Stute reiten; dann bestieg Pharao ein rotes, weißes, dann ein schwarzes Ross, und wenn es sich sagen ließe, Gott zeigte sich ihm auf einem roten, weißen, dann auf einem schwarzen Ross; so steht ja auch (eig. das ist’s, was in der Schrift steht) Hab. 3, 15: „auf verschiedenen Rossen.“ Pharao zog aus mit Panzer und Helm, wenn es erlaubt wäre, zu sagen, Gott ebenso s. Jes. 59, 17; Pharao brachte Naphta, wenn es sich sagen ließe, Gott ebenso s. Jes. 18, 13; Pharao brachte Schleudersteine, wenn es sich sagen ließe, Gott ebenso s. Ex. 9,  13, Pharao rückte mit Schwertern und Lanzen bewaffnet aus, Gott schoss Blitze s. Ps. 18, 16; Pharao sandte Pfeile ab, ebenso Gott s. das. V. 15. R. Levi sagte: Gott sandte Pfeile und zerstreute sie d. i. seine Pfeile zerstreuten die Pfeile Pharaos „und Blitze schoss er und brachte sie in Wirrwarr“ d. i. sie vermischten sich mit den Pfeilen der Feinde. Gott nahm ferner die Feldzeichen des Feindes und sie wussten nicht, was sie tun sollten. Pharao zog geharnischt aus, ebenso auch Gott s. Jes. 42, 13; Pharao donnerte, ebenso auch Gott s. 2 Sam. 22, 14; Pharao zog zornentbrannt aus, ebenso auch Gott s. Hab. 3, 12; Pharao zog mit Bogen und Schild gerüstet aus, ebenso auch Gott s. das. V. 11. Pharao zog aus mit der Schärfe der Lanze, wenn es sich sagen liesse, Gott ebenso s.  Hab.  3, 12. R. Berachja im Namen des R. Samuel bar Nachman sagte: Nachdem Pharao alle seine Waffengeräte erschöpft hatte, fing Gott an, sich gegen ihn zu erheben. Er sprach nämlich zu ihm: Stehen dir, Frevler, auch Winde, Cherubim und Flügel zu Gebote? Woher hat Gott diese fliegen lassen? und er ließ sie fliegen. Nach R. Judan von den Rädern des göttlichen Thronwagens, er machte sie los und warf sie über das Meer. R. Chanina bar Papa sagte: Der Mensch reitet auf seinem Lasttier auf etwas, an dem etwas Wesentliches ist, allein Gott trägt sein Gespann, sein Gerittenes und reitet auf etwas, an dem nichts Wesentliches ist s. Ps. 18, 11. Hier heißt es adyv er flog, 2 Sam. 22, 11 aber heißt es aryv er erschien, wie ist die Differenz dieser zwei Schriftstellen auszugleichen? Daraus ist zu schließen, sagte R. Acha, dass Gott Welten hatte, in welchen er sich zeigen wollte. ich vergleiche dich, meine Freundin.
R. Elieser sagte: Gleich einer Königstochter, die in Gefangenschaft geraten war und die ihr Vater loskaufen wollte, sie winkte aber denen, die sie gefangen genommen hatten und sprach zu ihnen: Ich gehöre euch an, ich folge euch überall hin. Glaubst du denn, sprach ihr Vater zu ihr, dass ich dich nicht zu befreien vermag? Schweige (hmvd) verhalte dich still! Ebenso winkten die Israeliten, als sie am Meere lagerten und sich von den Ägyptern verfolgt und erreicht sahen s. Ex. 14, 14, diesen aus Furcht und sprachen zu ihnen: Wir ergeben uns euch, folgen euch überall hin, allein Gott sprach zu ihnen: Glaubt ihr, dass ich euch nicht befreien kann? Schweiget! Heißt es nicht das. V. 14: „Der Ewige wird für euch streiten, und ich habe dich schweigen geheißen“.
Oder die Rabbinen sagen: Weil die Israeliten (hier) mit Stuten, die ruchlosen Ägypter aber mit schmutzigen Hengsten verglichen werden, die ihnen nachliefen, bis sie im Meere untersanken. R. Simeon aber sagte: Bewahre! nicht die Israeliten, sondern die Meereswogen glichen den Stuten, denen die Ägypter, die schmutzigen Hengste, nachliefen, bis sie im Meere untersanken. Da sprach der Ägypter zu seinem Rosse: Gestern lenkte ich dich zum Nil hin und du folgtest mir nicht, jetzt stürzest du mich ins Meer, und das Ross sprach zu seinem Reiter: Herab ins Meer d. i. siehe, was im Meere ist (hmr = ,yb hm har), ein Angriff. (cycytpa) geschieht gegen euch im Meere!
Von R. Ismael ist gelehrt worden: Es stehet Ex. 14, 27 geschrieben: „Der Ewige schüttete die Ägypter in die Mitte des Meeres“, daraus geht hervor, das Pferd warf einen Reiter in die Höhe, dieser fiel herab und das Pferd fiel auf ihn, ungefähr so wie einer, der einen Topf umrührt, bemerkte R. Levi, wo das Untere nach oben steigt und das Obere nach unten stürzt.
Meine Freundin. Was heißt das? R. Jonathan versteht darunter: meine Versorgerinnen (ytcnrpm), die mich an jedem Tage mit den zwei beständigen Opfern s. Num. 28, 48 versehen; denn R. Jehuda bar Simon hat gesagt: Zwei beständige Opfer brachten die Israeliten an jedem Tage dar, das eine am Morgen und das andere in der Dämmerung (eig. zwischen den beiden Abenden). Das Morgenopfer wurde dargebracht für die des Nachts begangenen und das Abendopfer für die am Tage begangenen Sünden, so dass kein Mensch in Jerusalem übernachtete, welcher von einer Schuld belastet war s. Jes. 1, 21.
Die Rabbinen legten die Worte: „Ich vergleiche dich, meine Freundin“ dahin aus: Die Erhalterin meiner Welt, weil sie meine Thora angenommen haben, denn wenn sie dieselbe nicht angenommen hätten, so würde ich meine Welt wieder in Öde und Leere verwandelt haben, denn R. Chanina im Namen des R. Acha hat die Worte Ps. 75, 4: „Es bebet die Erde und alle ihre Bewohner, ich stelle ihr feste Säulen“, auf diese Weise ausgelegt: Wenn die Israeliten, als sie am Berge Sinai standen, nicht gesprochen hätten: „Alles, was der Ewige geredet, wollen wir tun und gehorchen“ s. Ex. 24, 7, so wäre die Welt wieder in Öde und Leere zerflossen, und wer befestigte sie durch ein Fundament? „Ich befestigte ihre Stützen“. Das heißt: durch das Verdienst des Dekalogs, der beginnt mit: Ich bin der Ewige, dein Gott! habe ich ihre Stützen befestigt.