V. 7. Ganz schön bist du, meine Freundin

V. 7.   Ganz schön bist du, meine Freundin.
Diese Worte lassen sich auf unsern Vater Jacob anwenden, da seine Lagerstätte makellos war und nichts Verwerfliches darin sich fand. Was heißt das: „Ganz schön bist du, meine Freundin?” R. Simeon ben Jochai hat gelehrt: Als die Israeliten, am Berge Sinai stehend, sprachen Ex. 24, 7: „Alles, was der Ewige gesprochen, wollen wir tun und gehorchen”, befanden sich keine Blutflüssigen, Aussätzigen, Lahmen, Blinden, Stummen, Tauben, keine Verrückten und Wahnsinnigen, keine Unbesonnenen und Zweifler unter ihnen, und auf diesen Zeitpunkt lassen sich obige Worte anwenden. Mit der Fertigung und Anbetung des goldenen Kalbes nach wenigen Tagen aber stellten sich alle die genannten Übel ein, da erhielten die Israeliten den Befehl s. Num. 5, 2, alle Aussätzigen aus dem Lager zu entfernen.
R. Chelbo fragte: Warum macht die Schrift Num. 7, 12 Jehuda zu einer Nebenperson? Damit er sich nicht brüste und spreche: Weil ich zuerst (am ersten Tage) geopfert habe, so bin ich der Größte unter euch allen. Gott wollte aber zeigen, dass er es so ansehe, als hätten alle am ersten und am letzten Tage geopfert.
R. Eleasar sagte: Es heißt das. V. 84: „Das waren die Gaben zur Einweihung des Altars, am Tage als er gesalbt wurde.“ Brachte nicht jeder von ihnen eine Schale, einen Becher u. s. w. dar? Warum heißt es noch einmal: zwölf silberne Schüsseln, zwölf silberne Schalen, zwölf goldne Becher? Allein damit nicht Jehuda sage: Da ich zuerst dargebracht habe, so bin ich größer als ihr alle; Gott wollte eben zeigen, dass er es so ansehe, als hätten alle am ersten und am letzten Tage geopfert. R. Berachja sagte: Weil nach dem Segen, den der sterbende Vater Jacob jedem seiner Söhne erteilte, geschrieben steht Gen. 49, 28: „Alle diese sind die zwölf Stämme Israels“ u. s. w., so folgt daraus, dass er sie alle nochmals insgesamt segnete. Vorher hatte er sie mit Tieren verglichen, Jehuda mit dem Löwen s. das. V. 9, Dan mit der Schlange s. V. 17, Naphthali mit einer Hindin s. V. 21, Benjamin mit einem Wolfe s. V. 27, zuletzt verglich er sie alle mit den erwähnten Tieren, was du auch daran erkennen kannst, dass Dan hier eine Schlange und auch ein junger Löwe genannt wird s. Deut. 33, 22.
R. Idi sagte: Wir finden bei den Opfern, dass alle Stammfürsten ohne Unterschied ein und dieselben Gattungen dargebracht haben, nämlich Brandopfer, Speisopfer, Sündopfer, Friedensopfer, woraus sich schließen lässt, dass sie alle vollkommen und von gleichem Range waren. Warum hebt nun die Schrift (Ex. 6, 14-27) die drei Männer Ruben, Simeon und Levi noch besonders hervor? Darüber sind R. Chanina und R. Levi geteilter Meinung. Der eine sagte: Weil ihr Vater sich gegen sie heftig ausgelassen hatte s. Gen. 49, 1-7, der andere sagte: Um die Abstammung Moses und Aarons hervorzuheben. Da R. Judan im Namen des R. Jehuda bar R. Simon im Namen des R. Huna auf die angegebenen Stämme den Spruch Salomos Prov. 15, 31 angewendet hat: „Das Ohr, welches auf Zurechtweisung des Lebens merkt, findet einst mitten unter den Weisen seine Stätte“, so muss der erste Grund dem Huna angehören, weil sie also die Ermahnung ihres Vaters beherzigten, so wird ihr Geschlechtsverzeichnis neben dem des Mose und Aaron niedergeschrieben und darum heißt es hier: „Du bist ganz schön,“
R. Jehuda gibt für die besondere Erwähnung der angegebenen Stämme Ruben, Simeon und Levi diesen Grund an: Weil nur sie allein und nicht auch die anderen ihre Abstammung in Ägypten bewahrt hatten. R. Nechemja sagte wieder: Weil alle Stämme Götzendienst in Ägypten getrieben hatten, nur Ruben, Simeon und Levi nicht. Die Rabbinen endlich sagen: Weil nur sie und nicht auch die anderen Stämme eine gewisse Herrschaft über Israel ausübten. Starb Ruben, so ging die Herrschaft auf Simeon über, starb dieser, so ging sie auf Levi über, als sie aber an Jehuda kommen sollte, rief eine Tochterstimme: „Lasset sie auf sich beruhen, bis der rechte Zeitpunkt wird eingetreten sein!“ Wann war das? Nach dem Tode Josuas s. Jud. 1, 2. Othniel (welcher der erste war, der nach Josuas Tod in den Krieg zog) hatte drei Namen: Jehuda, Othniel und Jabez d. i. nach R. Berachja und R. Levi im Namen des R. Chama bar R. Chanina: Boas. Allein R. Simon sagte im Namen des R. Josua ben Levi: Jabez ist Othniel und verweist dabei auf Ezech. 22, 18. 19, wo es heißt: „Das ganze Haus Israel ward mir zum Gemisch von Kupfer, Zinn“ u. s. w. und Sacharja sagte: Ich sah sie (die Gemeinde Israels) ganz aus Gold s. Sach. 4, 2. 3. Über die Bedeutung des in letzterem Verse vorkommenden Wortes hlvg sind zwei Amoräer verschiedener Meinung. Der eine sagt: hlvg bedeute soviel wie Verbannung, der andere liest hlavg Erlösung. Nach demjenigen, welcher sagt, dass das Wort soviel wie Verbannung bedeute, ist der Sinn: sie zogen nach Babylon und die Schechina zog mit ihnen; derjenige dagegen, welcher das Wort im Sinne von Erlösung (hqvrp Befreiung) nimmt, verweist auf Jes. 47, 4. Dennoch spricht Gott: Du bist ganz schön, meine Freundin, es ist kein Makel an dir.